nd-aktuell.de / 08.10.2010 / Unten links / Seite 1

Unten links

Eine Meldung, ausgesprochen pünktlich zur Buchmesse: Buenos Aires, Hauptstadt des Gastlandes Argentinien, startet in den U-Bahnen eine besondere Aktion: die kostenlose Verleihung von Taschenbüchern. Mehrere tausend Bände sollen künftig dafür sorgen, dass die Menschen – indem sie lesen, »was zu Herzen geht« – weniger stehlen und rauben und morden. Das liest sich gut. Solche Wirkung ist eine der ehrenhaftesten Illusionen, die man sich über die Wirkung von Literatur machen kann. Am Ende wird es aber nicht weniger Kriminelle geben, höchstens mehr Kriminelle, die belesen sind. Außerdem lauert in Büchern eine verhängnisvolle Kraft. Einen Freund des Dichters Balzac erschlug man doch mit der Bibel. Und Gottfried Keller erzählte von einem armen Tropf, den Räuber erstickten, indem sie ihm zerknüllte Seiten jenes Romans in den Hals stopften, den er gerade las. Die sozialistischen Realisten wussten schon, warum sie warnend hervorstießen: Kunst ist Waffe! hades