nd-aktuell.de / 14.10.2010 / Politik / Seite 6

Aus 189 Landkreisen wurden 76

Vor 20 Jahren wurden die ostdeutschen Bundesländer gebildet

Marian Krüger
Im Juli 1990 beschloss die Volkskammer die Wiederherstellung der 1952 auf dem DDR-Territorium abgeschafften und durch Bezirke abgelösten Länder. Die Landtagswahlen im Osten vor 20 Jahren besiegelten diese Entscheidung.

Anders als andere Schritte zur deutschen Einheit, ist die Bildung der fünf ostdeutschen Länder heute kaum noch umstritten. Niemand trauert den DDR-Bezirken nach. Aus der Länderbildung folgte zugleich eine umfassende Reform der Kreisebene – aus ehemals 189 Landkreisen wurden 76. Während die Währungsunion und der Einigungsvertrag den Rahmen für die Restauration der privaten Eigentumsverhältnisse und die Deindustrialisierungspolitik der Treuhand abgaben, ermöglichte die Übertragung des Föderalismus auf den Osten eine gewisse politische Eigenständigkeit und Gestaltungsfreiheit. So haben die Ostländer die deutsche Bildungslandkarte nachhaltig verändert. Kein ostdeutsches Land hat das dreigliedrige Schulsystem übernommen. Und ohne die bundesweit beispielhaften Standards im Kita-Bereich gäbe es auch im Westen längst nicht diese nachholende Modernisierung in der Kinderbetreuung.

Wenn es um die Politiker geht, die den Aufbau der ostdeutschen Länder besonders prägten, müssen der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und die 2001 an Krebs gestorbene Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) als erste genannt werden. Sie standen für den Versuch, den Transformationsprozess im Osten sozialpolitisch abzufedern und pochten immer wieder auf einen aufrechten Gang auf dem Weg in die deutsche Einheit.

Das Renommee des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) wurde durch seine erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik geprägt. Die Kehrseite seiner Politik, für die die Stichworte Sachsen-Sumpf und Bankenskandal beispielhaft stehen, wird hingegen primär seinem Nachfolger Milbradt zugerechnet. Die Riege der sonstigen Ministerpräsidenten aus der Gründungszeit – Gerd Gies und Werner Münch in Sachsen-Anhalt, Josef Duchac in Thüringen, Alfred Gomolka in Mecklenburg-Vorpommern – zeichnete sich durch drei Gemeinsamkeiten aus: CDU-Parteibuch, vorzeitiger Rücktritt und das Odium von Affären, Skandalen und Intrigen. Gomolka allerdings bildet einen Sonderfall. Er trat nicht unter dem öffentlichen Druck zurück, der aus dem Vorwurf umstrittener Verhaltensweisen erwuchs. Als einer von wenigen Christdemokraten stellte er sich dem Ausverkauf der ostdeutschen Industrie, der Werften an den Bremer Vulkankonzern, entgegen. Die eigenen Leute servierten ihn ab. Wenige Jahre später ging der Vulkan Pleite. Die Veruntreuung von hunderten Millionen Mark an EU-Fördermitteln war anschließend Gegenstand von Gerichtsverfahren gegen die Vulkan-Vorstände.

Der Eintritt der Ostländer in die föderale Politikarena löste im Westen alles andere als Begeisterung aus. Die bevölkerungsreichen »Südstaaten« sowie NRW, die um ihre Sperrminorität in Verfassungsfragen im Bundesrat bangten, setzten flugs eine Erhöhung ihrer Mandatszahl durch. Immer wieder gab es aus dieser Richtung Vorbehalte und Attacken gegen die Verankerung der Ostinteressen in Finanzausgleich und Solidarpakt.

Die 2010 von den christdemokratischen Landesfürsten Stefan Mappus, Roland Koch und Horst Seehofer angekündigte Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich bleibt ein besonders dreister Wortbruch. Denn um die Zustimmung auch der finanzschwachen ostdeutschen Länder für die Föderalismusreform II zu bekommen, hatte man ihnen zuvor in der Föderalismuskommission den ungeschmälerten Erhalt des Finanzausgleichs versprochen.

In den Parlamenten der ostdeutschen Länder und Kommunen verdiente die PDS ihre ersten demokratischen Sporen. Lag sie nach den Bundestagswahlen 1990 im Osten noch bei 11,7 Prozent, erreichte die heutige LINKE 28,5 Prozent. Die Landes- und Kommunalpolitik bildete in der damals wie heute gelegentlich von Strömungskonflikten zerfurchten Partei immer ein eigenes Gravitationszentrum. Bereits ab 1994 ermöglichte sie über das Magdeburger Tolerierungsmodell die rot-grüne Regierung in Sachsen-Anhalt. 1998-2006 war sie Teil einer SPD-geführten Regierung in Schwerin, und seit 2002 ist sie an der rot-roten Regierung in Berlin beteiligt.