Nur der Papp-Goebbels wurde verrückt

LINKE kritisiert Wanderausstellung des Verfassungsschutzes zu Extremismus / Kleine Korrekturen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einer Wanderausstellung will der Verfassungsschutz über Extremismus aufklären. In Dresden gab es Kritik, weil NS-Diktatur und DDR in einen Topf geworfen wurden und die LINKE in die Nähe von Gewalttätern gerückt wird.

Goebbels wurde verrückt. In einer Ausstellung, mit der das Bundesamt für Verfassungsschutz seit etlichen Jahren durchs Land zieht, um über Extremismus aufzuklären, war eine Pappfigur des NS-Propagandaministers bisher Bindeglied zwischen zwei Tafeln. Die größere informiert über »Rechtsextremisten an der Macht«, sprich: das für den Holocaust verantwortliche Dritte Reich. Die zweite, kleinere ist »Linksextremisten an der Macht« gewidmet, in der Sichtweise der Schlapphüte also der DDR.

Dass der Agitator Goebbels nicht mehr von der NS-Diktatur zur DDR überleitet, ist der Intervention von André Hahn geschuldet. Der Fraktionschef der LINKEN im Dresdner Landtag hatte die Ausstellung besucht, als sie am gegenwärtigen Standort im Dresdner Finanzministerium eröffnet wurde, und seinen Augen kaum getraut. Er wolle die DDR nicht schönreden, beteuerte Hahn; sie sei aber selbst nach Kriterien des Verfassungsschutzes kein linksextremistisches System gewesen; die Gleichsetzung mit der NS-Diktatur sei zudem eine »Entgleisung« und »Beleidigung für Millionen Ostdeutsche«. Instinktlos sei es, dass SED-Politiker wie Erich Honecker, Horst Sindermann und Hermann Axen per Bild mit Hitler und Goebbels in eine Reihe gestellt würden; sie saßen zusammen 28 Jahre in NS-Zuchthäusern und KZ.

Während dieser Vorwurf Hahns durch eine optische Korrektur entschärft wurde, bleiben grundsätzliche Einwände des Linkspolitikers gegen die Ausstellung, die sich einem Werbetext zufolge nicht zuletzt an Schulklassen richtet, unberücksichtigt. Dabei geht es um die Darstellung der LINKEN als Teil der linksextremen Szene. Die strebe, heißt es in der Ausstellung, die »revolutionäre Beseitigung der von ihr als kapitalistisch (...) beschimpften Ordnung« an. In einem interaktiven Informationsportal werden dazu zunächst Bilder martialisch gekleideter und brandschatzender Vermummter gezeigt; der folgende Menüpunkt »Parteien« ist vorwiegend der LINKEN gewidmet.

Anstoß nimmt Hahn weniger an Fehlern wie dem Umstand, dass als Vorsitzende noch Lothar Bisky und Oskar Lafontaine genannt werden, ein Panne, die man umgehend beheben wolle, heißt es beim Bundesamt. Als empörend bezeichnet Hahn vielmehr die bildliche Nähe seiner Partei, in der »niemand« die jetzige Ordnung revolutionär beseitigen wolle, und der quasi als »Vorfeldorganisation« gezeigten Schlägertruppen. Die LINKE »strebt demokratische Veränderungen an«, so Hahn; sie zu beobachten, sei absurd: »Dass wir in der Ausstellung vorkommen, ist ein Unding.«

Das Bundesamt indes sieht sich auf der sicheren Seite; die Rechtmäßigkeit einer Beobachtung der Partei sei schließlich »höchstrichterlich« bestätigt, sagt ein Sprecher im Interview für einen Dresdner Lokal-TV-Sender unter Bezug auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Bodo Ramelow, das dieser jetzt beim Verfassungsgericht anficht. Der Sprecher bemühte sich zudem klarzustellen, »politische Opportunität oder Absichten« seien »nicht Maßstab der Arbeit des Verfassungsschutzes«.

Nicht nur Hahn dürfte das anders sehen. Als kleinen Erfolg verbuchte er immerhin, dass seine Kritik teils Gehör fand. Beim Bundesamt denkt man indes darüber nach, die Exposition ausgewogener zu gestalten – indem neben Goebbels ein »kommunistischer Agitator der Verächtlichmachung der Demokratie« abgebildet wird.

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