nd-aktuell.de / 25.10.2010 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Kein gemeinsames Nein zum Sparpaket

Großbritannien: Gewerkschaftsquerelen überschatten Proteste gegen die Sparvorhaben

Christian Bunke, London
In Großbritannien mehren sich die Proteste gegen das angekündigte Sparpaket. Nur die Gewerkschaften sind sich derzeit nicht einig über das Vorgehen.

Am 20. Oktober verkündete die britische Regierung ihr Sparpaket. Laut Umfragen befürchten 77 Prozent der Wähler, dadurch schlechter da zu stehen als bisher. Insgesamt wird auf der Insel der Abbau von einer Million Arbeitsplätzen erwartet. Der stellvertretende Premier Nick Clegg von den Liberaldemokraten erklärte am Samstag, er finde die Kürzungen moralisch schwierig, aber notwendig.

Die ganze Woche hindurch gab es Proteste gegen das Sparpaket. Den vorläufigen Höhepunkt setzten am Samstag Demonstrationen und Streiks in vielen Städten. Die größte Kundgebung gab es in Edinburgh mit 20 000 Teilnehmenden. In London demonstrierten 4000, in Bristol 2000. In anderen Städten demonstrierten jeweils hunderte.

Gleichzeitig offenbarte das Wochenende eine Spaltung an der Spitze der britischen Gewerkschaften. Es gibt offensichtliche Meinungsverschiedenheiten über das weitere Vorgehen. Jeremy Dear, Generalsekretär der britischen Journalistengewerkschaft NUJ erklärte am Mittwoch: »Die Führung des britischen Gewerkschaftsbundes hatte ihren ersten großen Test. Sie hat ihn nicht bestanden.«

Während die Führer der kämpferischen Gewerkschaften, Bob Crow von der Transportarbeitergewerkschaft RMT, Jeremy Dear von der NUJ, Mark Servotka von der Gewerkschaft der Staatsangestellten PCS und Matt Wrack von der Feuerwehrgewerkschaft FBU, auf Protestveranstaltungen sprachen, verschickte der Vorsitzende des britischen Gewerkschaftsbundes eine Pressemitteilung. In dieser kündigte er eine Großdemonstration für den 26. März 2011 an.

Für viele Gewerkschafter ist das zu wenig, zu spät: In London streikten am Samstag U-Bahn-Beschäftigte und Feuerwehrleute. Allen 5600 Feuerwehrleuten wurden Entlassungspapiere ausgestellt. So sollen Jobabbau und schlechtere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden. Ein ähnliches Beispiel gibt es aus Birmingham, wo alle 26 000 kommunalen Beschäftigten Entlassungspapiere bekamen. Bei der Londoner U-Bahn drohen fast 2000 Stellenstreichungen.

Steve Hedley von der Londoner RMT erklärte am Samstag, es könne bei den Auseinandersetzungen »nicht darauf ankommen, die Straße hoch und runter zu marschieren«. Vielmehr müsse der britische Gewerkschaftsbund einen eintägigen Generalstreik ausrufen.

Ähnliches sagte Wrack, Generalsekretär der FBU, auf der Abschlusskundgebung in London. Der Gewerkschaftsbund müsse kämpfen, es seien Streiks im gesamten öffentlichen Dienst notwendig. Crow rief dazu auf, »Millionen von Menschen zu mobilisieren«. Servotka erklärte am Mittwoch, dass man »nur auf die andere Seite des Kanaltunnels nach Frankreich schauen muss, um zu sehen wie man kämpft. Streiks gegen das Sparpaket in Großbritannien sind unausweichlich.«

Die Demonstration in Edinburgh wurde vom schottischen Gewerkschaftsbund organisiert. Es war die einzige offizielle gewerkschaftliche Demonstration an diesem Wochenende. Alle anderen wurden zwar von Einzelgewerkschaften unterstützt, aber entweder von örtlichen Kampagnen oder oppositionellen Gewerkschaftsstrukturen wie dem National Shop Stewards Network organisiert. Es entwickelt sich eine Bewegung. Die Frage ist, ob der britische Gewerkschaftsbund an ihr teilhaben möchte.