nd-aktuell.de / 26.10.2010 / Politik / Seite 10

Jubiläen ohne Grund zum Feiern

Martin Ling

Ein langes und ein kurzes Jubiläum fallen fast auf den Tag genau zusamen – ein Grund zum Feiern ist freilich beides nicht. Am 24. Oktober 1970 hatten Deutschland und andere Geberländer im Rahmen der UN-Generalversammlung versprochen, ihre Entwicklungshilfe innerhalb von fünf Jahren auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Am 28. Oktober 2009 trat Dirk Niebel als Bundesentwicklungsminister an – in dem Ressort, das seine FDP im Wahlkampf noch abwickeln wollte.

40 Jahre nach seiner Selbstverpflichtung dümpelt Deutschland bei 0,35 Prozent, obwohl sich Berlin 2005 in der EU verbindlich auf das Zwischenziel von 0,51 für 2010 festgelegt hatte und für 2015 mit 0,7 Prozent im Wort steht. Ein Wort, dass auch Dirk Niebel nicht offen zurückgezogen hat. Stattdessen machte er jüngst mit seinem Vorschlag Schlagzeilen, den steuerlich anerkannten Anteil von Privatspenden rechnerisch der staatlichen Entwicklungshilfe zuzuschlagen. Privatisierung der Entwicklungshilfe gewissermaßen.

Schwerer als die unzureichende quantitative Mittelausstattung wiegt ohnehin die qualitative Umstrukturierung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Bis auf die prinzipiell sinnvolle Zusammenlegung von drei Entwicklungsorganisationen der Technischen Zusammenarbeit, sind Niebels Absichten ein entwicklungspolitisches Horrorszenario. Das gilt für die Forderung nach einer Kooperation von Hilfsorganisationen mit der Bundeswehr ebenso wie für das Kohärenzprinzip à la Niebel: Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik aus einer Hand und einer Partei. Unter Niebel gilt: ressortübergreifende Vorfahrt für deutsche Wirtschaftsinteressen. Das 0,7-Prozent-Ziel gehört sicher nicht dazu.