nd-aktuell.de / 27.10.2010 / Ratgeber / Seite 6

Keine Gesetzesnorm für Haftung des Wirts

Leserfragen zur Garderobenhaftung

Mir wurde in einer Gaststätte die Jacke von der Garderobe gestohlen. Als ich den Verlust meldete, wurde ich auf das Schild »Für Garderobe wird nicht gehaftet« verwiesen. Das Problem gilt auch bei Arztbesuchen und Behördengängen. Wie ist die Rechtslage?
Ute N., Berlin
Wilhelm H., Magdeburg

Eine spezialgesetzliche Norm, die die Haftung des Wirts einer Gaststätte für abhanden gekommene Garderobe regelt, gibt es nicht. Insbesondere greifen die §§ 701 ff. BGB nicht, die lediglich für das Beherbergungsgewerbe gelten. Auch zu einem Verwahrungsvertrag gem. §§ 688 ff. BGB kommt es nur in Ausnahmefällen, etwa wenn der Wirt oder sein Personal ein Kleidungsstück mit der Bemerkung entgegen nehmen, dieses »in Sicherheit zu bringen« (Urteil des Amtsgerichts Dortmund v. 30. August 2004, Az. 126 C 478/04).

Regelmäßig ist eine Haftung des Wirts daher nur wegen Verstoßes gegen eine vertragliche Nebenpflicht zu begründen und daher – unabhängig von der Anbringung haftungsausschließender Schilder – lediglich in Ausnahmefällen anzunehmen.

Die Aussage, der Wirt hafte in jedem Falle für die Garderobe, wenn der Gast sie von seinem Platz aus nicht sehen könne, ist so nicht zutreffend. Zwar hat bereits das Reichsgericht mit Urteil vom 29. September 1922 eine Obhutspflicht des Wirts angenommen, wenn dieser die Gäste zur Ablage an einem von seinem Tisch aus nicht einsehbaren Ort auffordert.

Hat der Gast jedoch – wie in den meisten Fällen – die Möglichkeit, seine Garderobe z. B. mit an seinen Platz zu nehmen, verhält es sich anders: Dann kommt eine Haftung des Wirts nur in Betracht, wenn weitere besondere Umstände hinzutreten. So beispielsweise, wenn die Garderobe geradezu zum Diebstahl einlädt oder es in der Vergangenheit wiederholt zu Garderobendiebstählen gekommen ist, ohne dass der Wirt anschließend Sicherheitsmaßnahmen ergriffen oder zumindest seine Gäste gewarnt hätte (Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. Mai 1970, 2 U 109/69).

Das gilt übrigens grundsätzlich auch für den Bereich der gehobenen Gastronomie, selbst wenn es sich hier ggf. »nicht schickt«, seine Garderobe mit an den Tisch zu nehmen. Die beschriebene Rechtslage ist auf andere Lebensbereiche übertragbar, so auf den Arztbesuch. Die Praxis haftet ebenfalls in aller Regel nicht für den Garderobenschaden. Anders aber, wenn der Patient das Personal ausdrücklich um Verwahrung bittet und dieses die Gegenstände annimmt oder aber auf Abgabe an der Garderobe besteht.

Das bloße Raushelfen aus dem Mantel und Anhängen an der Garderobe wird hingegen als Gefälligkeit zu werten sein, die keine Haftung begründet. Allein der Umstand, dass der Patient gehandicapt ist, weil er z. B. wegen verminderter Sehkraft die Garderobe nicht zu überwachen vermag, ändert nichts an den Haftungsgrundsätzen.

JAN-CÉSAR WOICKE, Rechtsanwalt, Berlin