nd-aktuell.de / 03.11.2010 / Politik / Seite 11

Vom Unsinn des Ein-Euro-Gärtnerns

Hamburger LINKE legen Beispielrechnung vor

Birgit Gärtner, Hamburg
3300 Ein-Euro-Jobs sollen laut Senatsbeschluss in Hamburg wegfallen. »Das ist gut«, sagt die LINKE- Bezirksfraktion Hamburg-Nord. »Aber nur, wenn den Erwerbslosen Alternativen angeboten werden.« Die Fraktion hat am Beispiel von Ein-Euro-Jobbern im Gartenbau ausgerechnet, wie das gehen kann: Statt diverse Träger für die Ausbeutung von Billigarbeitskräften mitzubezahlen, das Geld direkt in die Betroffenen investieren – und sie versicherungspflichtig beschäftigen. Das wäre für die öffentliche Hand laut Fraktion sogar noch günstiger als die Finanzierung von Ein-Euro-Jobs.

»Viele Bezieher von ALG II würden gerne einen Ein-Euro-Job machen«, sagt Franz-Josef Peine, Abgeordneter der LINKE-Bezirksfraktion Nord. »Das ist aus deren Perspektive auch völlig verständlich, denn von Hartz IV kann niemand wirklich leben.« Trotzdem steht für Peine und seine Fraktionskollegin Angelika Traversin fest, dass die Armut nicht durch Ein-Euro-Jobs beseitigt werden kann.

»Weder die finanzielle noch die mentale Situation der Betroffenen wird durch Ein-Euro-Jobs nachhaltig positiv verändert«, betont Traversin. »Zwar haben sie 150 Euro mehr im Monat, das macht viel aus, bei einem Regelsatz von 359 Euro pro Monat.« Aber ohne langjährige versicherungspflichtige Beschäftigung sei der Rentenanspruch so gering, dass später durch öffentliche Transferleistungen aufgestockt werden müsse, damit überhaupt der Grundsicherungssatz erreicht werde.

Im Bezirk Hamburg Nord wurden in den vergangenen 10 Jahren im Bereich Gartenbau 25 reguläre Arbeitsplätze wegsaniert. »Zugunsten von Ein-Euro-Jobs«, befürchtet Peine. Eine Anfrage der Fraktion Nord ergab im vergangenen Herbst, dass beim Bezirksamt 118 sogenannte Ein-Euro-Jobber im Bereich Garten- und Landschaftsbau eingesetzt waren.

Peine und Traversin haben ein einfaches Rechenbeispiel für die Umwandlung dieser Jobs in reguläre Arbeitsplätze erstellt. Darin bekommt der Ein-Euro-Jobber den Regelsatz von 359 Euro pro Monat, die Mietkosten wurden mit unrealistischen 360 Euro für Hamburg sehr niedrig angesetzt, plus den Mehraufwand für die Arbeitsgelegenheit von 150 Euro. Das macht zusammen 869 Euro. Plus 261 Euro, die der Träger dafür kassiert, dass er den Erwerbslosen für sich arbeiten lässt.

Zusammengenommen entstehen also Kosten von 1130 Euro pro Monat. Bei einer versicherungspflichtigen Festanstellung mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden nach Tarif vergütet bekäme die betroffene Person im Gartenbau ein Brutto-Entgeld von 1339 Euro, von dem 348 Euro als Steuern in die öffentlichen Kassen zurückfließen würden. Unterm Strich heißt das: der Ein-Euro-Jobber kostet den Staat mehr als eine regulär beschäftigte Arbeitskraft. Eine solche hätte letztendlich auch selbst mehr in der Tasche als mit ALG II plus Ein-Euro-Job, weil kein Träger mitfinanziert werden muss. Zudem würde ein – wenn auch minimaler – Rentenanspruch erworben.

Man sei dabei von alleinstehenden Erwachsenen ausgegangen und habe Mittelwerte eingesetzt, sagt Peine. »Trotzdem macht das Beispiel deutlich, dass alle Beteiligten nur gewinnen würden.«