nd-aktuell.de / 05.11.2010 / Wissen / Seite 14

Mit Kinderbüchern Brücken bauen

Deutschsprachige Bücher sollen Integration von muslimischen Kindern fördern

Michael Scheuermann, Freiburg
Kinderbücher, die über das Christentum informieren oder gar für diese Glaubensgemeinschaft werben, gibt es viele in Deutschland. Für Muslime ist es dagegen schwer, ihre Kinder auf Deutsch Wissen und Glauben über den Islam zu vermitteln. Dabei würde genau das die Integration der Muslime in die hiesige Gesellschaft voranbringen. Diese Angebotslücke will der Freiburger Salam-Verlag schließen. Ziel dabei ist es auch, die Lesekultur in bildungsfernen Schichten zu fördern.

Texte auf Deutsch, altersgerechte Themen, liebevoll gestaltete Buchseiten – der neu in Freiburg gegründete »Salam Kinder- und Jugendbuchverlag« setzt auf eine spielerische Annäherung islamischer und westlicher Wertvorstellungen. Zielgruppe seien in erster Linie junge Menschen mit islamischen Wurzeln, »die meist besser deutsch als die Herkunftssprache ihrer Eltern beherrschen«, erklärt Verlagsleiter Ahmad Milad Karimi. Auch christlich geprägte Kinder und Erwachsene will er so mit der Welt des Islams vertraut machen. Vier erste Titel erschienen zur Frankfurter Buchmesse.

Da stellt »Der kleine Hassan«, nicht nur Fragen zum Propheten Mohammed oder dem islamischen Opferfest sondern auch zu Jesus und Weihnachten. »Fayzal der Krebsfänger« entführt Kinder in eine Zauberwelt, die den Umgang mit der eigenen Erkrankung erleichtern hilft. Bildreich richtet sich »Arabisch lernen mit Simsim« an in Deutschland lebende muslimische Kinder. »Das Geschenk und also sprach das Buch« vermittelt einem kleinen Jungen den Wert des Wortes als besondere Gabe. Zu Weihnachten sollen dann »Karim spricht mit Gott«, das spielerisch in islamische Gebetsrituale einführt sowie »Ein Buch aus dem Leben des Propheten Mohammed« folgen.

Für Salam-Verlagsleiter Ahmad Milad Karimi, der 2009 als erster den Koran wortgetreu in poetisches Deutsch übertrug und die Literatur- und Kunstzeitschrift »Kalliope« herausgibt, bedeutet das neuartige Verlagskonzept »Pionierarbeit auf jeder Ebene«. Ziel sei dabei nicht, »islamisches Gedankengut zu verbreiten«, sondern »Muslime in Deutschland in ihrer eigenen Religiosität und Komplexität zu unterstützen«. Für den jungen Familienvater hat dabei die Vereinbarkeit islamischen Lebens mit den hiesigen Grundwerten »hohen Stellenwert«. Bülent Uçar, deutsch-türkischer Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück und Autor des für deutsche Grundschulen entwickelten Lehrbuchs »Mein Islambuch«, bemängelt, dass es hierzulande bisher »nur wenig Material« gebe, das Zusammenleben von »Muslimen und Christen zu stärken«. Mit der Verlagsgründung würden Themen der Deutschen Islamkonferenz (DIK) aufgegriffen, mehr »für die Normalität des Islams« in Deutschland zu tun.

»Die Idee ist mehr als überfällig«, sagt Sineb El Masrar, Herausgeberin des ersten interkulturellen Frauenmagazins für Migrantinnen in Deutschland, »Gazelle«. Die Tochter marokkanischer Einwanderer vermisst Kinderliteratur, die sich mit dem Leben in dem neuen Kulturkreis und besonders mit der »Integration muslimischer Mädchen« befasse. »Großen Bedarf« sieht die heute 29-Jährige bei Familien, in Grundschulen und Kindergärten.

Christian Zell, stellvertretender Leiter der städtischen Kindertagesstätte Pastorenweg in Bremen, »in der 70 bis 80 Prozent meist islamische Migrationskinder« betreut werden, bedauert, dass es nicht mehr kindgerechte Literatur zu islamischen Festen und interkulturellen Themen gibt. Erinnert er sich doch, wie zum letzten Opferfest türkische Mütter des Kita-Beirats mit Selbstgeschriebenem von Gruppe zu Gruppe gingen, um den Kindern die Bedeutung des muslimischen Feiertags zu erklären.

Das Verlagsgeschehen begleitet ein »Wissenschaftlicher Beirat«. Neben Sineb El Masrar und Islamprofessor Bülent Uçar konnten der vielfach ausgezeichnete deutsch-syrische Schriftsteller mit christlich-aramäischen Wurzeln Rafik Schami und der österreichische Menschenrechtler Alfred Zauner gewonnen werden. Nur wenige der anvisierten Kunden werden den Buchhandel aufsuchen, befürchtet Verlagsleiter Karimi, da meist auch diese Eltern ohne kindgerechte Bücher aufgewachsen seien. Ihm schwebt eher die Direktvermarktung über türkische Gemüsehändler, Dönerbuden und Arztpraxen vor. »Eben dort, wo die Menschen sind«, betont Rombach-Verleger und Haupteigner des Salam-Verlags Andreas Hodeige. Dabei hat er auch deutsche und muslimische Schulen, Moscheen, Imame und Kindergärten im Blick. Gedruckt würden erstmal kleine Auflagen von 2000 bis 3000 Stück je Titel zu Preisen zwischen 12,95 Euro und 19 Euro.