(Vogel-)Freie düpieren WDR

Fake-Zeitschrift kritisiert Arbeitsbedingungen

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Rückruf erfolgt konspirativ. Er habe, wie viele seiner Kollegen, schlicht Angst um seinen Job, sagt der anonyme Anrufer. Denn: »Wer sich im Hause kritisch äußert, läuft ernsthaft Gefahr, gefeuert zu werden.« Das gelte nicht nur für Leute wie ihn, die (vogel-)freien Mitarbeiter, sondern durchaus auch für Festangestellte des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Am letzten Donnerstag landeten der Anrufer und seine meist ebenfalls anonymen Mitstreiter einen Coup: Sie brachten ein satirisches Plagiat der ansonsten schnarchigen Hauspostille »WDR Print« in Umlauf (tinyurl.com/wdr-print-plagiat). Die »Zukunftsausgabe für gutes Programm« kritisiert die schlechten Arbeitsbedingungen der freien Mitarbeiter, aber auch den Qualitätsmangel des Senders.

Intendantin Monika Piel ließen die Spaßvögel Selbstkritik üben: »Es war ein großer Fehler, bei der Programmgestaltung ständig auf die Einschaltquoten zu schielen. Die Quote ist ein Instrument des Kommerzfernsehens, und Profite zu generieren, ist nicht unser Auftrag.« Nun wolle man den Weg der Qualität beschreiten – mit »Recherche, Hintergrund, Dokumentationen, Kultur«. Das Plagiat ist streckenweise sehr komisch, gestand selbst die echte Monika Piel ein, die dem ND jedoch via Unternehmenssprecherin Gudrun Hindersin erklären lässt, beim WDR gebe es »kein Qualitäts-Defizit«.

»Es ist ein Projekt von unten, aber ohne gewerkschaftliche Unterstützung wäre es nicht machbar gewesen«, berichtet der Anrufer. So habe die Auch-Medien-Gewerkschaft ver.di einen Großteil der Druckkosten übernommen. Der Zuspruch für die (externen) Heftverteiler sei groß, viele Soli-E-Mails seien eingegangen, »auch von WDR-Promis, von denen man das nicht unbedingt erwartet hätte«.

Quote statt Qualität: Der Prozess habe bereits in den 70er Jahren angefangen, erinnert sich der Anrufer. Er sei in den 80er Jahren durch das Aufkommen des Privatfernsehens gestärkt worden. »In den 90er Jahren marschierte dann die Unternehmensberatung Roland Berger mit ihren lächerlichen Flipcharts im Hause auf.« Nicht nur Quoten-Maniker, auch Spar-Kommissare senkten die Qualität ab: »Früher gab es beim WDR noch Freien-Büros, wo ein inhaltlicher Austausch stattfand. Heute spart der Sender sich diese Kosten: Hey, unsere Freien haben doch alle ihre schicken Büros!« Für die, statt des WDRs, die Mitarbeiter blechen.

Eine Frage treibt den anonymen Aktivisten um: »Der WDR hat einen Jahresetat von mehr als 1,6 Milliarden Euro, davon kommen gerade mal 80 Millionen Euro bei den Freien an, die 90 Prozent des Programms produzieren.« Was, so fragt er, »passiert eigentlich mit den restlichen anderthalb Milliarden Euro?«.

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