nd-aktuell.de / 05.11.2010 / Brandenburg / Seite 10

Eugène Ionesco

Im Uhrwerk

Robert Meyer

Als was verarbeiten wir soziale Informationen – nur als Positionsannahmen? Mit dem Einakter »Jakob oder die Unterwerfung« bringt das Theaterforum Kreuzberg ein frühes Eugène-Ionesco-Stück auf die Bühne, das fantastisch gut ein Kernthema des aus Rumänien stammenden Autors sichtbar macht: die Deformation des Individuellen in totalitären Umgebungen. »Wenn du teilhaben willst«, so eine zentrale Botschaft des Stückes, »dann musst du Eigen-Sein preisgeben oder lernen, daraus eine Waffe zu machen.«

»Jakob oder die Unterwerfung« ist zwar eine Komödie und wurde von Regisseurin Anemone Poland auch als solche inszeniert, das Stück stellt aber sehr wohl die Frage nach Identität und Freiheit, und damit auch nach Sein und Ökonomie. Jakob ist rebellisch, die Werte seiner Familie stellt er massiv in Frage. Alles Zureden hilft nichts, deshalb greift seine Schwester zu einem perfiden Mittel, um den Bruder zu manipulieren: »Jakob du bist chronometrierbar!« Jakob bekommt ein spezielles Zeitbewusstsein »verpasst«. Die Vorstellung, der Zeit gnadenlos ausgeliefert zu sein, macht Jakob schnell gefügig – wohl, weil eine allzu mechanische und ängstliche Betrachtung der Zeit den Dingen Längen und Tiefen nehmen kann.

Und nun soll Jakob auch heiraten, er aber will eine hässliche Frau. Eine mit nur zwei Nasen genügt ihm nicht, seine künftige Frau soll drei Nasen haben. Auch eine solche besorgt die Familie schließlich, die in diesem Ionesco-Stück einen erstaunlichen Zusammenhalt aufweist und vom Autoren wohl als Repräsentant für eine tradierte Lebensweise genommen wurde, die die Tendenz aufweist, die Welt immer bedrohlich zu zeichnen.

Anemone Poland versteht sich auf Ionesco, gibt Spielelementen zuweilen zwar weniger emotionales Gewicht als ihnen innewohnt, aber trifft fast immer den absurden Ton, für den Eugène Ionesco so bekannt ist. Wie auch andere Ionesco-Stücke inszeniert Poland »Jakob oder die Unterwerfung« bunt, spielerisch und fantasiereich. Das weitgehend junge Schauspielerteam auf der Bühne spielt engagiert und mit viel Elan. Jakobs Eigensinn, seine Unterwerfung, seine Heirat – es macht Spaß diese Geschichte auf der Bühne des Theaterforums Kreuzberg, das dieser Tage sein 25-jähriges Jubiläum feiert, zu verfolgen. Wer »Jakob oder die Unterwerfung« aufmerksam betrachtet, den kann das Stück an eine uralte Weisheit erinnern: Frieden und Freiheit bringen Menschen zum Gedeihen!

5.-7.11., 20 Uhr, Theaterforum Kreuzberg, Eisenbahnstraße 21, Tel.: 70 0 7 1 7 10