nd-aktuell.de / 08.11.2010 / Brandenburg / Seite 11

Nazi-Schmierer am Ge(h)-Denk-Weg

Wolfgang Weiß

Die gut vier Dutzend Menschen, die sich am Sonnabend trotz Kälte und Regen vor dem Tor zum Peter-Behrens-Bau in Oberschöneweide versammelt hatten, waren sich einig: Nun erst recht! Sie waren gekommen, um bei einem Ge(h)-Denk-Rundgang an das jüdische Leben in Oberschöneweide zu erinnern.

In der Nacht zuvor waren kaum zufällig widerliche, mit Hakenkreuzen verzierte Nazi-Schmierereien am Rundgangsweg aufgetaucht, wie »Buchenwald lässt grüßen« und »Mehr KZ’s«.

Gerd Lüdersdorf, Autor des Buches »Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick«, sprach den Versammelten aus dem Herzen, als er seinen Zorn darüber zum Ausdruck brachte. Zu dem Rundgang, der durch die Wilhelminenhofstraße und die Umgebung führte, hatten die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, das Antifaschistische Bündnis Südost, die Jobwerkstatt Mädchen und der Industriesalon Schöneweide geladen.

Gerd Lüdersdorf erinnerte an die AEG-Gründerfamilie Rathenau, die wohl bekanntesten Oberschöneweider Juden, aber auch an die vielen Namenlosen. Vor allem in der Wilhelminenhofstraße und Edisonstraße gab es kaum ein Haus, in dem Lüdersdorf bei seinem Studium von über 50 000 Akten deportierter Berliner Juden nicht auf Spuren einstiger Bewohner gestoßen wäre.

1933 lebten in Oberschöneweide noch 210 Bürger jüdischen Glaubens, 1939 waren es nur noch 46. Von diesen überlebten gerade einmal zwei den Weltkrieg.

Stellvertretend für die vielen Opfer der Nazi-Barbarei erinnerte das Jobcenter Mädchen in einer Video-Präsentation an das Schicksal von Manfred Stargardter, dessen Eltern in der Schillerpromenade 7a einen Haushaltswaren- und Spielzeugladen hatten. Dem jungen Juden war 1941, in letzter Minute, mit seiner Freundin die Flucht nach Belgien gelungen. Dort wurde er später verraten und von der Gestapo in ein Vernichtungslager geschickt. Seiner Frau und dem unterdessen geborenen Sohn Thomas gelang es mit Hilfe belgischer Widerstandskämpfer, sich zu verstecken und so zu überleben. Für Manfred Stargardter wurde im März 2010 vor seinem Geburtshaus in der Schillerpromenade ein Stolperstein verlegt.