nd-aktuell.de / 08.11.2010 / Politik / Seite 2

Schotterer kommen nicht recht zum Zug

Polizei geht an der Castorstrecke massiv gegen Atomkraftgegner vor

Reimar Paul, Metzingen
Erbitterter Widerstand gegen den Castor-Transport: Mit Gleisbesetzungen, Ankettaktionen und Straßenblockaden haben Atomkraftgegner auch am Sonntag versucht, den Atommülltransport nach Gorleben aufzuhalten. Die Aktion »Castor schottern« gelang allerdings zunächst nicht in dem von den Organisatoren erhofften Ausmaß.

Am Bahnhof Leitstade westlich von Dannenberg wehrte die Polizei am Sonntag immer wieder Versuche der Atomkraftgegner ab, auf die Gleise zu kommen. Dabei gingen die Beamten mit großer Härte gegen die teilweise vermummten Demonstranten vor. Es gab Verletzte durch Knüppelschläge und Tränengas und mehrere Festnahmen. An anderen Stellen schafften es »Schotterer« für kurze Zeit bis auf das Gleis. Gegen eine Sitzblockade der Initiative »Widersetzen« auf der Schiene bei Hitzacker war am Nachmittag auch berittene Polizei im Einsatz.

Von der Ortschaft Metzingen aus machten sich am Morgen an die 2000 Schotterer auf den Weg zur Castor-Bahnstrecke. Zuvor hatten sie sich darauf verständigt, in mehreren »Fingern« an die Gleise zu gelangen, und für die Aktion Bezugsgruppen gebildet. Viele Demonstranten waren in Anzüge aus weißem Papier gewandet, andere ganz schwarz gekleidet. Auch die Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Kornelia Möller, machte den knapp einstündigen Marsch durch den Wald mit. »Ich bin als Zeugin und Beobachterin hier«, sagte sie.

Auf einer Böschung kurz vor der Bahnlinie stoppte die Polizei die Schotterer. Ohne Vorwarnung gingen die Beamten mit Schlagstöcken und Reizgas gegen die Menge vor und verschossen Tränengasgranaten. Demonstranten schleuderten Äste und Feuerwehrkörper auf die Polizeiketten. Eine Frau erlitt eine blutende Kopfwunde, etliche Castor-Gegner mussten einander die tränenden Augen ausspülen. Ein Mann wurde von den Polizisten zu Boden geworden, seine Hände mit Kabelbindern gefesselt, er selbst abgeführt. »Der hat nichts gemacht und war nicht mal vermummt«, hieß es. Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, die als Beobachterin im Wendland ist, konstatierte ein »extrem aggressives Verhalten einiger Beamter.« Mehrmals zogen sich die Bezugsgruppen zur Beratung ihres weiteren Vorgehens zurück, mehrmals versuchten sie erneut, an die Strecke zu gelangen – in einigen Fällen klappte das auch für kurze Zeit, doch meistens wurden die Schotterer von der Polizei abgewehrt. Als Demonstranten mehrere Barrikaden auftürmten und anzündeten, kam auch ein Wasserwerfer zum Einsatz. Am Mittag ging berittene Polizei gegen die Castorgegner vor. »Nur durch einen unverhältnismäßigen Gewalteinsatz konnte die Polizei uns nach dem ersten Schottern wieder zurückdrängen«, sagte am Mittag Mischa Aschmoneit von der Kampagne »Castor Schottern«. Bei den Aktivisten gebe es immer noch eine große Entschlossenheit, »den weiteren Tag zum Schottern zu nutzen und sich nicht einschüchtern zu lassen«.

Am Nachmittag verlagerten sich die Schwerpunkte des Protestes weiter nach Westen. Bei Harlingen hielten rund 1200 Aktivisten der Sympathisanten von »Widersetzen« die Schienen besetzt. Die Initiative »X-tausendmal quer« begann mit ebenfalls mehr als tausend Teilnehmern eine Sitzblockade auf der Zufahrtsstraße zum Gorlebener Zwischenlager. Und die Bürgerinitiative Umweltschutz berichtete von »derzeit drei Treckerblockaden im Landkreis«.