nd-aktuell.de / 13.11.2010 / Politik / Seite 6

Polizeizentrale in Karatschi attackiert

Mindestens 21 Tote und 100 Verletzte

Henri Rudolph, Delhi
Erstmals haben militante extremistische Gruppen in der pakistanischen 18-Millionen-Metropole Karatschi ein Hauptquartier der Sicherheitskräfte zum Ziel ihrer Angriffe gemacht. Donnerstagnacht sprengten sie das Gebäude der Behörde zur Verbrechensbekämpfung (CID) in der »roten Zone« der Stadt in die Luft.

Mindestens 21 Menschen wurden bei dem Anschlag getötet, über 100 verletzt. Die CID gilt als Antiterror-Zentrale der Polizei. Angeblich waren dort einige Mitglieder der militanten Gruppe Lashkar-e-Janghvi eingekerkert. Doch zu dem Verbrechen bekannte sich die Tehrik-i-Taliban Pakistan, die eng mit Al Qaida liiert ist und mit den in Afghanistan operierenden Taliban kollaboriert. Sie drohte, bald den Präsidentenpalast in Islamabad anzugreifen.

Die »rote Zone« kennzeichnet Karatschis Hochsicherheitsareal. Dort befinden sich die Residenzen des Gouverneurs der Provinz Sindh und des Provinzchefministers, das USA-Konsulat, etliche Fünftsernehotels und Regierungsgebäude. Bislang hatten Extremisten in Pakistans größter Industrie-, Handels- und Hafenstadt vorwiegend religiöse Schreine, Prozessionen und Moscheen angegriffen. Offensichtlich fühlen sie sich in Karatschi inzwischen so sicher, dass sie vor Anschlägen auf den staatlichen Sicherheitsapparat nicht mehr zurückschrecken.

Das aus etwa einem Dutzend Angreifern bestehende Kommando fuhr auf einem Lastwagen vor das Haupttor der Polizeizentrale und eröffnete das Feuer auf die Wachposten. Es gelang ihm, die Barriere zu überwinden und den Lkw auf das Gelände zu bringen. Kurz darauf flog der mit einer Tonne Sprengstoff beladene Laster in die Luft. Die Explosion brachte das Polizeigebäude zum Einsturz und verursachte an mindestens zehn umliegenden Häusern schwere Schäden. Sie riss einen fünf Meter tiefen und zehn Meter weiten Krater in den Boden und wurde noch in 15 Kilometer Entfernung gehört. Im meteorologischen Amt von Karatschi zeigten die Erdbebenregistriergeräte die Stärke von 1.3 auf der Richterskala an.

Im Beraterstab des Sindh-Chefministers kommentierte man das Ereignis mit der Bemerkung: »Wir befinden uns in einer Kriegssituation.« Tatsächlich kämpfen Einheiten der pakistanischen Streitkräfte im Nordwesten des Landes in den Stammesgebieten an der afghanischen Grenze seit rund zwei Jahren unter enormen Verlusten gegen die Taliban und mit ihnen kollaborierende Paschtunen-Milizen. Damit erfüllt Islamabad seine Verpflichtungen als einer der Hauptpartner der USA im »Kampf gegen den Terrorismus«. Das Bündnis mit Washington beunruhigt viele Pakistaner und dient den Extremisten als Anlass für ihre blutigen Attacken. Erst im Oktober während der dritten Runde ihres strategischen Dialogs mit Pakistan versprachen die USA eine Aufstockung der Militärhilfe um 2.29 Milliarden Dollar.