nd-aktuell.de / 20.11.2010 / Politik / Seite 6

Ein Dorf im Fokus von drei Staaten

Israel zieht sich aus Ghadjar zurück

Karin Leukefeld, Damaskus

Das israelische Sicherheitskabinett hat den Rückzug seiner Soldaten aus dem besetzten nördlichen Teil des Grenzdorfes Ghadjar beschlossen. Damit kommt Israel nun vier Jahre nach dem Ende des Libanon-Krieges einer Forderung der UNO-Resolution 1701 nach, die den Waffenstillstand zwischen Israel und Libanon und das Mandat der UNO-Friedenstruppe UNIFIL im Grenzgebiet zwischen den beiden Staaten regelte.

Das Dorf war 1967 von Israel im Zuge der Besetzung der syrischen Golan-Höhen eingenommen und 1981 annektiert worden. Nach dem Rückzug der israelischen Besatzungsarmee aus Südlibanon im Jahr 2000 hatte die UNO es in einen nördlichen libanesischen und einen südlichen israelischen Bereich geteilt. Im Krieg 2006 hatte Israel den nördlichen Teil erneut besetzt, bevor es sich nun wieder zurückzieht.

Gleichwohl soll der nördliche Teil des 2000-Einwohner-Dorfes nicht von Libanon verwaltet, sondern dem Mandat der UNIFIL unterstellt werden. Der Zugang von Libanon aus in die nördliche Hälfte des Dorfes soll in Absprache mit Israel von UNO-Soldaten und der libanesischen Armee kontrolliert werden.

Die Einwohner Ghadjars sind mehrheitlich Alawiten und wurden in Verhandlungen nicht einbezogen. Sie betrachten sich als Syrer und wollen zusammen mit den israelisch besetzten Golan-Höhen zu Syrien zurückkehren. Viele von ihnen zeigten Reportern ihre früheren syrischen Ausweispapiere. »Niemand hier freut sich über die Entscheidung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu«, erklärte ein Dorfbewohner gegenüber dem Sender »Al Dschasira International«.

»Israel will den Norden zurückgeben, aber es gibt hier nicht Nord und Süd, wir sind ein Dorf.« Netanjahu versuche, sich bei der internationalen Gemeinschaft einzuschmeicheln, sagte der Mann weiter, »auf unsere Kosten«. Regionale Medien deuten den Schritt Israels als Ausweichmanöver angesichts des internationalen Drucks wegen des fortgesetzten Siedlungsbaus in den okkupierten palästinensischen Gebieten.

Die libanesische Regierung hat sich noch nicht entschieden, wie sie mit den Leuten von Ghadjar umgehen will, die 1981 den Pass der israelischen Besatzer akzeptiert hatten. Der Bürgermeister des Nachbardorfes Wazzani erklärte: »Wir wünschten, sie würden ihre israelische Staatsangehörigkeit zurückgeben.«