Privatsonne fürs Wohnzimmer

Im Schwarzwald haben die Bewohner eines Hofes ihrem bisherigen Schattendasein ein Ende gemacht

  • Stefan Ummenhofer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Spiegel bringt einem Paar in einem dunklen Schwarzwaldtal die Erleuchtung. Er sorgt in der dunklen Jahreszeit auf dem Haldenschwarzhof für einen kleinen Lichtblick – aber auch für spöttische Bemerkungen.

Simonswald. Die Sonne tief, die Hänge hoch – in manchen Gegenden im Schwarzwald herrschen im Winter finnische Verhältnisse. Der Sonnenmangel kann Menschen krank machen. Ein Ehepaar aus Simonswald im Schwarzwald hat sich auf die Suche gemacht, um seinem Schattendasein ein Ende zu bereiten. Die Lösung ist auf dem Nachbargrundstück zu sehen: ein zweieinhalb mal zwei Meter großer Spiegel auf einem vier Meter hohen Mast. Er fängt das Sonnenlicht ein und lenkt es hinunter zum Hof in dem tief eingeschnittenen Tal. Ziel: das Wohnzimmerfenster des Ehepaares Schuler.

»Wir haben im Winter bis zu fünf Monate keine Sonne – das geht auf die Psyche«, sagt Ulrike Schuler. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Thomas, mit dem sie den Haldenschwarzhof führt, hat sie sich den Kopf zerbrochen, wie sie ihr Leben etwas aufhellen könnten. Der entscheidende Anstoß kam dann aus dem Fernsehen. »In einem Film haben wir gesehen, dass es im italienischen Piemont eine ähnliche Konstruktion gibt. Und dann haben wir im Internet recherchiert.« Das Ehepaar wurde in Frankfurt am Main fündig. Dort sitzt ein Anbieter von Sonnenlicht-Lenksystemen, wie das Verfahren offiziell bezeichnet wird. Die Sonnensucher wurden sich mit dem Spiegelkonstrukteur schnell einig und stellten den Spiegel auf – mit viel Eigenleistung. »Das meiste an diesem Konstrukt haben wir selbst montiert, ansonsten wären die Kosten zu sehr in die Höhe geschossen«, sagt Ulrike Schuler.

Indes, so ein Spiegel darf nicht einfach in die Landschaft gestellt werden. Da will der Gemeinderat ein Wort mitreden. Nicht zuletzt deshalb, weil die Konstruktion auf dem Nachbargrundstück steht, sagt Amtsleiter Bernward Fehrenbach. Das Gremium brauchte – von Neugier getrieben – jedoch nur ganze zwei Minuten für die Genehmigung. »Alle alle waren gespannt auf den Spiegel«, erinnert sich Schuler. Seit Anfang November steht er nun am Hang. In den ersten Tagen wurden Feinjustierungen vorgenommen, damit das umgelenkte Licht auch wirklich ins Wohnzimmer gelangt. Zudem muss sich noch zeigen, wie oft der Spiegel an den veränderlichen Stand der Sonne angepasst werden muss. Der Erfolg ist für das Ehepaar vom ersten Augenblick an sichtbar. »Es geht ja nicht um eine große Fläche, sondern nur um etwa vier mal vier Meter, die nun sonnig und warm werden.«

Den Vorwurf, das Ganze sei nur ein Werbegag für die Ferienwohnungen in dem Hof, kann Ulrike Schuler nicht nachvollziehen. Selbstverständlich werde der Spiegel das Haus bekannter machen, aber entscheidend seien die Gesundheitsgründe. »Ich bin auf 1000 Metern Meereshöhe in Bernau im Schwarzwald aufgewachsen. Da hatten wir von morgens bis abends Sonne.« Umso frustrierender war es für sie, auf dem Haldenschwarzhof monatelang keinen Sonnenstrahl zu sehen. Und für sonnige Ausflüge bleibt ihr keine Zeit.

Das Paar ist bereits nach den ersten Tagen überzeugt. »Das Wagnis hat sich gelohnt.« Ulrike Schuler träumt schon von einem Zweitspiegel, um die Sonnenfläche zu vergrößern. In der Zwischenzeit muss sie die Kommentare ihrer Nachbarn parieren, die sich immer wieder über ihre neue Sonnenbank lustig machen. »Ich musste schon mehreren Leuten erklären, dass ich mich nicht bräunen will – denn das geht mit dem Spiegel nun wirklich nicht.«

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