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Maskentheater

Fotoinszenierungen von Olaf Martens in Dresden

  • Sebastian Hennig
  • Lesedauer: 3 Min.
Stierkampfarena, Aranjuez, 2008
Stierkampfarena, Aranjuez, 2008

Olaf Martens wurde 1964 in Halle geboren und hat in Leipzig bis 1992 bei Helfried Strauß und Wolfgang G. Schröter studiert. Aus dem Hallenser und Leipziger Raum, wo bekanntlich die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen, stammten auch die ersten Modellen seiner Farbfoto-Szenerien. Das natürliche Selbstbewusstsein, welches auf körperlicher Präsenz beruht, wird durch Anordnung und Umgebung unterstrichen. Klassizistische Theaterfoyers und Säle, der gelbe Sand vor der roten Bande einer Stierkampfarena, ramponierter Prunk rahmen die Attitüde der Personen. Durch ihr artifizielles Wesen und die grellen Farbeffekte ähneln seine Fotos denen von Erasmus Schröter. Dessen dämonische, sezierende Kälte ist Martens allerdings fremd. Auf seine Weise ist er eher ein Romantiker, wie sein Lehrer Strauß.

Ist der Fotograf der Spielkamerad seiner Modelle, ein Komplize oder ein visueller Zuhälter für verschwiegene Begierden? Die konsequente Bezeichnung der Abgebildeten mit den Vornamen im Bildtitel kann Verschiedenes bedeuten. Beim Vornamen werden Nonnen, Krankenschwestern, Animiermädchen, aber auch gute Freundinnen genannt. Nur von bekannteren Protagonisten erfahren wir auch den Nachnamen. So bei der Schauspielerin Franka Potente und der Turnerin Svetlana Schilina, die unterm goldenen Stuck des St. Petersburger Yussupow-Palast mit einem langen farbigen Band eine elegante Figur um sich zieht.

Ein Maskentheater wird aufgeführt, im unförmigen Kosmonautenanzug, zwischen den Wachsfiguren von Lenin und Stalin und in roter Korsage mit einer riesigen gestreiften Wassermelone unter dem Arm. Dabei schützen die Accessoires die Personen, indem sie von ihnen ablenken, Aufmerksamkeit ableiten, die bei seinen voyeuristischeren Fotografen-Kollegen oft unbarmherzig auf den mageren, langbeinigen Kreaturen siedelt. »Anett mit Trockenhaube« sitzt im Dresdner Hygienemuseum unter dem historischen Gerät, dass mit seinen Schläuchen wie ein grausiger Polyp am Kopf zehrt. »Reale Kunstwelten« lautet der Ausstellungstitel. Das Manierierte, die Affektiertheit sind auch eine Wirklichkeit, die in den jungen Modellen vergeht und nachwächst, wie die duftigen Kirschblüten, in die sich eine Gestalt im goldenen Fischschwanzkleid hineinwindet. Die übermütigen Inszenierungen wirken wie die Atemübungen bei einer Sängerin. Mädchen, die in wechselnden Aufträgen, völlig gleichgültigen Dingen Glanz verleihen müssen, glitzern hier scheinbar absichtslos vor sich hin. Diese Fotos sind wie Stillleben aus Garderoben und Agenturen, sind Dokumentationen der tatsächlichen Voraussetzungen zu einer Scheinwelt. Eine Revuetanzgruppe, wie Zirkuspferde mit Perlenhauben und Federschweifen geschmückt, pausiert in der Garderobe. Wie der berühmte Albatros außer den Lüften mit unnütz großen Flügeln eine traurige Figur ergibt, müssen die Ballettmädchen ihre meterlangen Beine irgendwie umständlich in Acht nehmen und finden kaum Platz dafür auf dem kleinen Fotoformat.

Eine andere weißbefederte Gruppe in Tüllkleidchen lagert gespiegelt um einen Tisch mit unzählbaren orangerot leuchtenden Spiegeleiern. »Designerin mit Models in Istanbul«: auf einer schmucklosen Beton-Balustrade erscheinen statuarisch zwei geschlossene Figuren monochrom in starker Farbe gewandet, majestätische Säulen aus Tuch. In der Dämmerung heben sich im Hintergrund zwei Minarette und eine flache Kuppel ab. Auf einem anderen Bild werden die würdevollen Damen von den sie umringenden alltagsmäßig gekleideten Männern scheu aus dem Augenwinkel betrachtet. Gebratene Wachteln an Kiebitzeiern in Rosenblättern gebettet werden auf dem Körper einer üppigen Person im roten Kleid serviert.

Olaf Martens, Fotoinszenierungen, Galerie Falkenbrunnen, Chemnitzer Straße 48a, Dresden, bis 22. Dezember, Mo-Fr 7.30-18.30. Sa 7.30-12 Uhr

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