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Hessen-SPD gibt grünes Licht für Bouffiers Schuldenbremse

Landesparteitag stimmt umstrittenem Deal zu / Nur Jusos bezogen Stellung gegen den Pakt

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die hessische SPD unterstützt nun auch offiziell die CDU-FDP-Landesregierung in der Zielsetzung, eine Schuldenbremse in die Landesverfassung aufzunehmen. Bei einem Landesparteitag der Sozialdemokraten am Wochenende im mittelhessischen Gießen gab eine breite Delegiertenmehrheit der Landtagsfraktion grünes Licht und bestätigte damit den Anfang der Woche von CDU, FDP, Grünen und SPD im Landtag ausgehandelten Gesetzestext.

Somit steht in Hessen zeitgleich mit den Kommunalwahlen am 27. März 2011 eine Volksabstimmung über eine entsprechende Verfassungsänderung an. Kernpunkt dabei ist die Vorgabe, bis zum Jahr 2020 die Nettoneuverschuldung auf Null zurückzuführen.

Die SPD-Landtagsfraktion hatte nach langem Zögern und Verhandlungen mit Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in der Wiesbadener Staatskanzlei ihre endgültige Zustimmung erteilt, nachdem CDU und FDP die Absichtserklärung akzeptiert hatten, dass die Schuldenbremse im Land nicht zu Lasten der Kommunen gehen dürfe und neben Einsparungen bei den Staatsausgaben auch die Einnahmeseite überprüft werden müsse. Während Kritiker aus Gewerkschaften und Linksfraktion diese Formulierungen als in der Praxis untauglich ansehen, feierten Befürworter des Projekts in Gießen diese Zusätze als »Sieg über den Neoliberalismus«. Die SPD habe »verhindert, dass über das trojanische Pferd der Schuldenbremse marktradikale Staatsvorstellungen in die Verfassung Einzug halten«, hieß es in einer Beschlussvorlage des Landesvorstands, der die Delegierten mit großer Mehrheit zustimmten.

Mehrere Landtagsabgeordnete, darunter auch Landes- und Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel, warben für den Kompromiss und forderten dazu auf, die »Deutungshoheit« über die Schuldenbremse zu gewinnen, eine neue Diskussion über Steuererhöhungen anzustoßen und sich nicht eine Debatte über Haushaltskürzungen aufzwingen zu lassen.

Ganz anderer Meinung waren die Jusos, die engagiert in die Debatte eingriffen. Ihr Antrag forderte die Landtagsfraktion zur Ablehnung des Gesetzentwurfs und die Landespartei zu einer ablehnenden Empfehlung bei der Volksabstimmung auf. Eine starre Schuldenbremse in Hessen sei ein »Verstoß gegen den Grundsatz der Generationengerechtigkeit« und zudem »wirtschaftspolitisch unvernünftig«, so ein Redner. Da sich seit der Regierungsübernahme durch die CDU im Jahre 1999 die Verschuldung des Landes von 22 auf 42 Milliarden Euro fast verdoppelt habe, sei die Abwahl der schwarz-gelben Landesregierung »die beste Schuldenbremse«, sagte Juso-Landeschef Felix Diehl. Letztlich wurde der Juso-Antrag jedoch abgelehnt. Ungeachtet dieser Abstimmungsniederlage wollen die Jusos an der Seite von Gewerkschaften und Sozialverbänden öffentlich gegen die Schuldenbremse argumentieren und der Bevölkerung ein »Nein« am 27. März empfehlen. Dies bestätigte Diehl auf ND-Anfrage.

Während sich in Gießen auch Aktivisten der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen und Vertreter des Frankfurter SPD-Unterbezirks kritisch zu dem aktuellen Wiesbadener Pakt äußerten, hielten sich ranghohe hessische Gewerkschafter mit SPD-Parteibuch wie der hessische DGB-Chef Stefan Körzell auf dem Landesparteitag auffällig zurück. Sie schwiegen ebenso wie die frühere SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti, die dem Vernehmen nach als einziges Mitglied der Landtagsfraktion dem Projekt Schuldenbremse ablehnend gegenüber steht.

Das diplomatische Schweigen prominenter Gewerkschafter dürfte dem Bemühen geschuldet sein, die Kluft zwischen SPD und DGB-Gewerkschaften nicht noch weiter zu vergrößern oder gar vor den Kommunalwahlen Öl ins Feuer zu gießen. »Wir sind gegen die Schuldenbremse, weil sie sozial Schwache trifft und Infrastruktur zerstört«, hatte Körzell noch vor drei Monaten als Gastredner beim Landesparteitag der hessischen LINKEN erklärt: »Dafür streiten wir bis zur Kommunalwahl im Schulterschluss mit Gewerkschaften, Sozialverbänden und Parteien.«

Nun kann er in der demnächst startenden Kampagne von Gewerkschaften und Sozialverbänden nur noch auf die Unterstützung der kleinsten Landtagspartei zählen. Die hessische LINKE lehnt die Schuldenbremse kategorisch ab.

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