nd-aktuell.de / 02.12.2010 / Kultur / Seite 4

Der Deutsche

Volker Schlöndorff / Der Filmregisseur erhielt in Frankfurt (Oder) den Viadrina-Preis

Hans-Dieter Schütt

Volker Schlöndorffs Filme sind in bestimmtem Sinne sehr deutsche Filme. Der deutsche Film ist jener, der dem Stigma aus Bedeutung, Schwere und Verkopfung zu entkommen sucht. Und dem man das irgendwie ansieht. Der deutsche Film ist nicht frei, sondern sehnsüchtig nach Freiheit.

Und der deutsche Regisseur? Möchte quasi jener »Schuld«, ein deutscher Regisseur zu sein, dadurch entgehen, dass er Filme dreht, die dem sogenannten großem Kino nichts schuldig bleiben sollen. Manchmal gelingt es, bis hin zum Welterfolg: »Die Blechtrommel«, »Homo Faber« sowie »Der Tod eines Handlungsreisenden« – mit Dustin Hoffman in der Titelrolle. Schlöndorff, Glückskind: Hoffman hatte zugesagt, weil der den Deutschen mit István Szabó, dem »Mephisto«-Regisseur verwechselt hatte.

Von Beginn an hat es sich dieser Regisseur schwer gemacht, indem er sich großer Literatur aussetzte, auch Böll (»Die verlorene Ehre der Katharina Blum«), Musil (»Der junge Törless«), Proust (»Eine Liebe von Swann«). Schon als Oberschüler ging der 1939 geborene Wiesbadener nach Paris. Während mit dem Oberhausener Manifest deutsche Filmemacher sehr deutsche Gedankenmacher, Autorenfilmer wurden, assistierte er bei Malle, Resnais. Und bei Melville. Schlöndorff nennt ihn seinen »ersten großen Meister«. So wurde er ein Deutscher, der französisch bleiben möchte. Schwierige Sache.

Dem Regisseur wird ein böser Satz nachgesagt: DEFA – dieser Name rieche nicht gut. Verdiente Filmemacher hielten es daraufhin für eine Schande, dass Schlöndorff von der Akademie der Künste just jenen Preis bekam, der nach Konrad Wolf benannt ist. Die DEFA sei schon vor 1992, dem Beginn seiner Geschäftsführerschaft in Babelsberg »abgewickelt gewesen – von ihrem eigenen Publikum«. Sätze dieser Art hat er wiederholt, zuletzt auch in seiner Autobiografie; geltungsbetont und gerne groß.

Deutschland hat wenige Weltregisseure. Er, der Marathonläufer, ist einer. Aber seltsam: Bei dem, was er doch längst ist, macht er trotzdem den nervösen, beflissenen Eindruck der Beweisnot. Das Paradox einer zähen Künstlerexistenz, der man das Bedürfnis ansieht, zu strahlen. Der deutsche Film, der deutsche Regisseur. Siehe oben.