Leben aus der Zelle

Vor 200 Jahren wurde Theodor Schwann geboren

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 2 Min.

In seiner »Dialektik der Natur« hob Friedrich Engels drei naturwissenschaftliche Entdeckungen des 19. Jahrhunderts besonders hervor: den Energieerhaltungssatz, die Darwinsche Abstammungslehre und die Zelltheorie, die 1838/39 von dem deutschen Botaniker Matthias Schleiden und dem Physiologen Theodor Schwann begründet wurde. Doch anders als mancherorts zu lesen steht, haben die beiden die Zellen nicht entdeckt. Bereits im 17. Jahrhundert hatte der englische Physiker Robert Hooke bei der mikroskopischen Betrachtung von Korkgewebe kleine Kämmerchen erspäht und für diese 1665 erstmals den Begriff »Zelle« geprägt.

Namentlich Schwanns große Leistung bestand darin, die Idee Schleidens vom zellulären Aufbau der Pflanzen auch auf die Tierwelt übertragen und damit die Einheit des Organischen naturwissenschaftlich untermauert zu haben. Die Zellen selbst betrachtete er als elementare Lebenseinheiten, durch deren Vervielfältigung und Differenzierung sich alle Organe und Organismen entwickeln. Hiervon ausgehend nahm die noch junge Disziplin Biologie einen enormen Aufschwung. Denn es begann zugleich eine intensive Suche nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der belebten Natur, die 20 Jahre später in der Aufstellung der Darwinschen Theorie ihren Höhepunkt fand.

Schwann wurde am 7. Dezember 1810 als Sohn eines Goldschmieds in Neuss geboren. Er studierte Medizin in Bonn, Würzburg und Berlin, wo der berühmte Physiologe Johannes Müller zu seinen Lehrern gehörte. Als Assistent von Müller entdeckte Schwann 1836 das Verdauungsenzym Pepsin, das im Magen für den Abbau der Nahrungsproteine sorgt. Zwei Jahre später ging er als Professor an die Katholische Universität nach Löwen (Belgien), bevor er 1848 den Lehrstuhl für Physiologie an der Universität Lüttich übernahm. Hier erforschte Schwann die Kontraktion der Muskeln und die Struktur der Nerven. Außerdem führte er für die Stoffwechselvorgänge in der Zelle den Begriff »Metabolismus« ein und formulierte die Grundprinzipien der Embryologie. Denn er hatte zuvor beobachtet, dass sich aus einem Ei, welches er als Einzelzelle auffasste, zuerst ein Embryo und dann ein Organismus entwickelt.

Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen verneinte Schwann die Existenz einer Lebenskraft und war stattdessen überzeugt, dass die Physiologie alle Lebensprozesse zu erklären vermag. Indem er jedoch postulierte, dass der Zellkern nach der Art von Kristallen aus einer Mutterlauge entstehen und durch Ausscheidungen die Zelle formen könne, machte er selbst leise Zugeständnisse an das Konzept der permanenten Urzeugung. Es war schließlich Rudolf Virchow, der mit der Formel: »omnis cellula e cellula« (»jede Zelle entsteht aus einer Zelle«) dieser verbreiteten Auffassung den Todesstoß versetzte.

Theodor Schwann starb am 11. Januar 1882 mit 71 Jahren in Köln.

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