nd-aktuell.de / 10.12.2010 / Politik / Seite 6

El Masri: USA sollen Berlin gedroht haben

Wikileaks veröffentlicht Geheimdokument

Washington/Berlin (AFP/ND). Im Fall des vor sieben Jahren von der CIA entführten Deutsch-Libanesen Khaled el Masri haben die USA offenbar massiven Druck auf die Bundesregierung ausgeübt. Wie aus einem von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichten Geheimdokument hervorgeht, warnte der damalige stellvertretende US-Botschafter in Deutschland, John Koenig, 2007 vor einer »negativen Auswirkung« auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen, sollten internationale Haftbefehle gegen mutmaßliche CIA-Agenten erlassen werden. Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte zuvor gegen 13 mutmaßliche US-Spione Haftbefehle erwirkt.

El Masri war Ende Dezember 2003 von dem US-Geheimdienst CIA als vermeintlicher Terrorverdächtiger nach Afghanistan entführt und dort festgehalten worden. Nach eigenen Angaben wurde er in einem Geheimgefängnis gefoltert, bevor US-Agenten ihren Fehler bemerkten und ihn fünf Monate später in Albanien freiließen. Medienberichten zufolge verwechselten die Agenten El Masri mit einem Al-Qaida-Aktivisten mit ähnlichem Namen, der in die Anschläge vom 11. September verwickelt war.

Nachdem die Haftbefehle gegen die 13 Verdächtigen in dem Entführungsfall erlassen worden waren, warnte Koenig laut einer am Mittwochabend auf Wikileaks veröffentlichten Diplomatendepesche vom Februar 2007 den stellvertretenden Abteilungsleiter für Außen- und Sicherheitspolitik im Bundeskanzleramt, Rolf Nikel, dass »der Erlass der Haftbefehle eine negative Auswirkung auf unsere bilateralen Beziehungen« haben würde. Es sei nicht darum gegangen, »Deutschland zu drohen«, sondern die deutsche Regierung dazu zu bringen, »jeden Schritt hinsichtlich der Auswirkungen auf die Beziehungen zu den USA sorgfältig abzuwägen«, hieß es in der Depesche der Botschaft in Berlin. Das Dokument wurde vom damaligen US-Botschafter William Timken unterzeichnet.

Das Auswärtige Amt wollte die Depesche am Donnerstag nicht bestätigen. Die Vorwürfe, Washington habe im Fall El Masri Druck auf Berlin ausgeübt, sind indes nicht neu.