nd-aktuell.de / 11.12.2010 / Politik / Seite 8

Kein Schutz für Informanten?

Guido Strack über juristische Stolperfallen für Tippgeber in Deutschland / Strack ist Vorsitzender des Whistleblower-Netzwerks, das unter anderem Menschen berät, die Missstände aufdecken wollen

Fragwürdig: Kein Schutz für Informanten?

ND: Derzeit sorgt die Enthüllungsplattform Wikileaks für Furore. Profitiert auch das deutsche Whistleblower-Netzwerk von diesem Hype? Immerhin setzt sich der Verein auch für den Schutz von Informanten ein, die illegale Praktiken oder Gefahren für Mensch und Umwelt aufdecken.
Strack: Ja, wir haben zumindest deutlich höhere Zugriffzahlen auf der Webseite und mehr Anfragen von interessierten Bürgern.

Das deutsche Whistleblower-Netzwerk folgt aber nicht dem selben Prinzip wie Wikileaks. Wie gehen Sie vor?
Wir veröffentlichen weder Dokumente noch Einzelfallgeschichten, sondern versuchen mehr im Stillen zu wirken. Wir beraten Leute oder vermitteln Interessierte an andere Organisationen. Wir selber veröffentlichen nichts, weil das zu heikel ist, angesichts des Medienrechts in Deutschland. Unsere Hauptaufgabe ist, für bessere Whistleblower-Schutzsysteme in Deutschland zu werben. Es gibt derzeit kaum Rechtsschutz für Menschen, die Missstände in Firmen oder Behörden publik machen.

Dabei wollte der ehemalige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) doch ein Anzeigerrecht im BGB festschreiben, um so Tippgeber zu schützen. Wieso gibt es immer noch keinen Schutz für Informanten?
Nach diversen Gammelfleischskandalen hatte sich Seehofer weit aus dem Fenster gelehnt und getönt, dass die Mitarbeiter in der Fleischverarbeitung und die Lastwagenfahrer, die das Zeug durch die Gegend kutschieren, in Zukunft einfacher die Möglichkeit haben sollten, die Missstände publik zu machen. Daraus folgte ein unzureichender Gesetzentwurf, der im Februar 2009 aber von der CDU-Fraktionsspitze als »Denunzianten-Paragraf« abgelehnt wurde. Vor allem, weil zuvor die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände dagegen Sturm gelaufen war.

Die Arbeitgeber fürchteten, der Paragraf könne das »innerbetriebliche Vertrauensverhältnis« untergraben.
Eigentlich müsste jeder Arbeitgeber, der sich redlich verhält, ein Interesse daran haben, dass es Whistleblower in den anderen Firmen gibt. Und dass diese dann die Möglichkeit haben, sich an staatliche Stellen zu wenden, um unlautere Machenschaften auffliegen zu lassen. Denn warum ich soll Angst vor Informanten haben, wenn ich mich korrekt verhalte?

Welche Möglichkeiten hat denn ein Arbeitnehmer, wenn er illegale Praktiken im eigenen Betrieb entdeckt? Darf er sich an die Öffentlichkeit wenden?
Nein. Nach derzeitiger Rechtsprechung dürfte er sich – solange sein Arbeitgeber nicht der Hauptverdächtige ist –, noch nicht mal an die Aufsichtsbehörden wenden. Er darf seinen Arbeitgeber darüber informieren. Und dann muss er abwarten. So lange zumutbar ist, den Arbeitgeber zu informieren, muss er das als erstes tun. Und was zumutbar ist, entscheidet das Gericht dann nachher – im Kündigungsschutzprozess.

Nun haben die G20-Staaten beschlossen, eine Whistleblower-Gesetzgebung in allen beteiligten Ländern – also auch Deutschland – einzuführen. Bis wann muss die Bundesregierung das umsetzen?
Bis Ende 2012. Das heißt, es sollte bald in Angriff genommen werden. Aber es geht hier nicht nur um ein gesetzliches, sondern auch ein kulturelles Problem. Wir brauchen eine Kultur der Akzeptanz für interne Kritiker. Dazu bräuchte es ein deutliches Signal des Gesetzgebers, dass diese Menschen juristischen Schutz genießen.

Fragen: Fabian Lambeck