nd-aktuell.de / 11.12.2010 / Kommentare / Seite 8

Zynische Weltsicht

Jürgen Amendt

Dass der viel gescholtene Föderalismus durchaus seine Vorteile hat, kann man derzeit an den Ereignissen auf der britischen Insel sehen. Man stelle sich vor, Guido Westerwelle und die Seinen könnten gemeinsam mit den Neoliberalen von der Union in der Bildungspolitik schalten und walten, wie sie wollen. Studiengebühren gäbe es dann flächendeckend vom Bodensee bis zum Ostseestrand. Und es gäbe innerhalb Deutschlands keine Möglichkeiten für Studierende, vor der Unimaut in ein anderes Bundesland zu flüchten.

An der Entwicklung in Großbritannien kann man allerdings auch nachvollziehen, was passiert, wenn sich der Staat immer mehr aus seiner Verantwortung für die Finanzierung des öffentlichen Bildungssystems zurückzieht. Man hat zunächst den Geldhahn für die staatlichen Hochschulen zugedreht und ihnen dafür die Möglichkeit eröffnet, Studiengebühren zu erheben. Stück für Stück wurden die Bildungsetats schließlich weiter gekürzt und anschließend erneut an der Gebührenschraube gedreht. In diesem Sinne ist es – gelinde gesagt – zynisch, wenn der Parteichef der Liberalen Nick Clegg die Kritik, die auch aus den eigenen Reihen an der Entscheidung erhoben wurde, die Studiengebühren massiv zu erhöhen, mit den Worten abbügelt, er sein kein »Träumer«, denn er nehme »die Welt, wie sie ist«. Zu den Erschaffern dieser Welt gehört auch ein gewisser Nick Clegg.