nd-aktuell.de / 14.12.2010 / Politik / Seite 6

Not und Spiele

Sozial Schwache in Niedersachsen dürfen nun Kinderspiele »beantragen«

Hagen Jung
Auf den ersten Blick eine nette Weihnachtsidee: Mehrere Verlage spenden für Kinder sozial schwacher Familien in Niedersachsen über 1000 Spiele. Verteilt werden sollen sie durch die Landesstiftung »Familie in Not«, gab die Pressestelle von Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) gestern bekannt. Haken bei der Sache: Es gibt im zweitgrößten Bundesland wohl weitaus mehr arme Kinder als nur 1000. Wie also die Spiele gerecht verteilen?

Weihnachtsmann spielen bei der Lösung dieses Problems sollen die Service-Stellen von »DabeiSein«. So heißt ein Sonderfonds, den das Land der Stiftung »Familie in Not« zugesellt hat. »DabeiSein« wiederum versendet einen Teil der Spiele an bedürftige Familien, »die den Servicestellen benannt wurden«. So teilt das Ministerium mit. Aber es macht auch Familien, die nicht von DabeiSein erfasst sind, Mut zur Freude auf ein kostenloses Spiel, denn: Diese Familien dürfen – und nun kommt St. Bürokratius ins Spiel – eine der gespendeten Gaben beantragen!

Noch bis zum 15. Dezember 2010, also bis morgen, könne ein solcher Antrag gestellt werden, verkündet das Sozialministerium in seiner Mitteilung, die gestern herausgegeben wurde und in Zeitungen demnach erst heute erscheinen kann. Nun also ist Eile angesagt auf dem Weg zum Spiel, falls denn die potenziellen Antragsteller trotz ihrer Bedürftigkeit eine Zeitung abonniert und die frohe Botschaft der Ministerin gelesen haben sollten.

Erster: Eine »Bewerbung« verfassen! Aus ihr, so das Ministerium, »müssen außer Namen und Anschrift der Familie die Anzahl, die Namen und das Alter der Kinder hervorgehen«. Und: »Der Bewerbung muss ein Nachweis über den Bezug von Sozialleistungen (Kopie des Bescheides) oder über die Einkünfte der letzten drei Monate beigefügt werden. Unvollständige Anträge können nicht berücksichtigt werden!«

Also los zum Kopier-Shop, zum Papierladen, Porto kaufen – mindestens eine 90 Cent-Marke für so einen dicken Brief. Ist das Papierkonvolut dann endlich vorschriftsmäßig zusammengestellt, bleibt zu hoffen, dass es heute so schnell wie möglich in einen noch nicht geleerten Briefkasten geworfen werden kann. Mahnt man doch aus der Landeshauptstadt: »Die Bewerbungen werden in der Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt«.

Nicht geschafft das ganze Brief-Prozedere? Auch kein Problem. Bis morgen noch kann ja der Antrag gestellt werden, und das geht auch per E-Mail an die Stiftung »Familie in Not«. Ist wahrscheinlich der einfachste Weg, ohne Lauferei, zumal ja wohl jede Hartz-IV-Familie über PC, Internet-Anschluss und Scanner zum Einlesen des Bedürftigkeits-Bescheides verfügen dürfte. Oder?