nd-aktuell.de / 17.12.2010 / Reise / Seite 21

Chorizo, Cabracho und Cabrales

Kulinarische Reise durch das grüne Spanien

Rainer Heubeck
Wenn die spanischen Seefahrer einst von ihren Fahrten Richtung Westen zurückkehrten, sei es von Nordamerika, der Karibik oder Südamerika, dann war das Allererste, was sie von Europa zu sehen bekamen, einige schneebedeckte Gipfel.
Spanien von seiner »grünen« Seite
Spanien von seiner »grünen« Seite

Je näher sie dem Land kamen, desto deutlicher waren die Spitzen des Faltengebirges, die zum Teil über 2600 Meter hoch gen Himmel ragen, zu sehen. In Zeiten vor dem GPS und Satellitennavigation waren diese Berge ein wichtiger Orientierungspunkt – und aus diesem Grund trägt ein wesentlicher Abschnitte des kantabrischen Gebirges noch heut den Namen »Picos de Europa«, die Gipfel Europas. Mittlerweile sind die Picos für die Seefahrt zwar nicht mehr so wichtig, doch seit dem Jahr 1995 ist das nur zwanzig Kilometer von der Küste entfernte Gebirgsmassiv ein Nationalpark – und seit dem Jahr 2003 auch UNESCO-Biosphärenreservat.

Die Orientierung Richtung Meer zeigt sich etwa in der Küche Kantabriens und Asturiens. Aus dieser sind Seehecht – Merluza genannt – und Cabracho, Venusmuscheln und Kalamares, Seeteufel und Garnelen, Stockfisch und Seeigel, Sardinen und Anchovis sowie Thunfisch nicht wegzudenken. Wie man Seeteufel besonders köstlich zubereitet, verrät Miguel Naves, der sich in seinem Restaurant San Pelayo auf frische Meeresfrüchte spezialisiert hat. Zu einem seiner Lieblingsrezepte gehört »Lomo de rape con ragut de chipirones y aceite de su tinta«, ein Seehechtfilet, das mit einem Ragout aus Chipirones serviert wird, einer besonders kleinwüchsigen Tintenfischart. Damit die Chipirones auch tatsächlich nach Chipirones schmecken, und nicht nach Fett und Panade, werden sie nicht frittiert, sondern mit Zwiebeln und Paprikaschotten angebrutzelt, sowie mit kalt gepresstem Olivenöl sowie mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt. Nachdem er den Seeteufel auf einer Metallplatte angebraten hat, wird dieser mit Olivenöl garniert, dem vorher Tintenfischtinte beigefügt wurde. Nun fügt Miguel Naves noch eine Garnitur aus gerösteten Zwiebeln hinzu – und fertig ist ein Meisterwerk.

Freilich: Nicht jede Fischart, die als Delikatesse am Teller köstlich mundet, wirkt in natura sonderlich einladend. Ein Beispiel hierfür ist der Cabracho, auch Drachen- bzw. Skorpionfisch oder Meersau genannt. Ein in Kantabrien und Asturien äußerst beliebtes Gericht ist deshalb Pastel de Cabracho – eine pikanter Fischkuchen, zu dessen Zubereitung auch Eier, Sahne und Tomatensoße benötigt werden und der in gehobenen Restaurants häufig als Vorspeise angeboten wird.

Doch nicht allein das Meer prägt den Speisezettel in »España Verde«, dem grünen Spanien, nein, in der regenreichen, hügligen und überaus fruchtbaren Region spielen auch Fleisch- und Wurstwaren eine wichtige Rolle. Besonders beliebt sind Paprikahartwürste, die sogenannten Chorizos, und schwarze Blutwürste, die »Morcielles«, die nicht nur als Häppchen oder zum Brot gegessen werden, sondern die auch aus der Fabada nicht wegzudenken sind, einem Eintopf aus weißen Bohnen, der von vielen als das Nationalgericht Asturiens angesehen wird. »Asturien« so sagte der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa, »ist weltweit für seine Berge, seine Kohleminen, seine Fabada und seinen Apfelwein bekannt.« Doch auch am Nationalgericht zeigt sich die maritime Ausrichtung der nordspanischen Kultur – denn die weißen Bohnen, die für die Fabada verwandt werden, stammen, wie auch Tomaten, Kartoffeln und Paprika, aus Mittel- und Südamerika – und wurden erst nach der Entdeckung der neuen Welt in Europa heimisch.

Eine Spezialität Asutriens freilich hat Mario Vargas Llosa unterschlagen: den leicht scharf schmeckenden Blauschimmelkäse Cabrales, ein in Höhlen gereifter Käse aus der Region Cabrales, der im Idealfall aus einer Mischung aus Kuh-, Schafs- und Ziegenmilch hergestellt wird. Ein würziger Käse, der sich nicht nur als Aperitif oder als Dessert empfiehlt, sondern der in der asturischen Küche auch für die Zubereitung schmackhafter Saucen verwendet wird, beispielsweise für Filetsteaks.

Das grüne Spanien, kulinarisch steht es oft für schwere, deftige Küche, die weniger schwer im Magen liegt, wenn das Mahl mit einem Gläschen klaren Traubentrester, in Nordspanien Orujo genannt, abgeschlossen wird. Doch die bodenständigen kulinarischen Angebote werden von einer Generation junger, kreativer Küchenchefs längst weiter entwickelt und verfeinert. An Feinheiten des Kellers allerdings hat die Region wenig zu bieten. Das beliebteste Getränk der Region – die sich für den Anbau von Weintrauben nicht sonderlich eignet – ist Sidra natural, ein trockener Apfelwein. Damit der nicht abgestanden, sondern frisch schmeckt, wird er vom Kellner, dem Escanciador, aus mehr als einem Meter Höhe von der Flasche auf den Glasrand geschüttet wird. Ein halbes Jahr muss der Sidra in Fässern aus Kastanienholz reifen, bevor die Mischung aus sauren, bitteren und süßen Äpfeln ausgeschenkt wird.

Ein Besuch im Norden Spanien, in Asturien und Kantabrien, lohnt nicht nur kulinarisch. Hier, im grünen Spanien, liegen einige der schönsten Strände der iberischen Halbinsel – etwa den bei Touristen aus Zentralspanien äußerst beliebten Playa da Sardinero in Santander. Ebenfalls empfehlenswert: Die Playa San Lorenzo in Gijón und die in kleinen Meeresbuchten gelegenen idyllischen Traumstrände zwischen Llanes und Ribadesella. Eine Sonnengarantie wie in Andalusien bietet die Atlantikküste in Nordspanien allerdings nicht – das kantabrische Gebirge fungiert als eine Wetterscheide, und die Region zwischen Santander und Oviedo ist auch deshalb so üppig grün, weil Regen hier keine Mangelware ist.

Neben Bergen, Badestränden und Kulinarik lohnt auch das kulturelle Angebot der Region – seien es die steinzeitlichen Höhlenmalereien in Altamira, die heute nur noch als Nachbildung besichtigt werden können, die mittelalterliche Altstadt von Santillana del Mar, die avantgardistischen Theater- und Musikaufführungen im Teatro de la Laboral im Gijón – oder ein Besuch der Kirchen »Santa Maria del Naranco« und »San Miguel de Lillo« auf dem Monte Naranjo bei Oviedo, die aus vorromanischer Zeit stammen und zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.

Informationen: www.spain.info/de[1]

Links:

  1. http://www.spain.info/de