Lebenslang für Juntachef Videla

Argentiniens Ex-Diktator für 31-fachen Mord belangt

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.
Lebenslange Haft für Jorge Rafael Videla. So lautet das Urteil gegen den heute 85-jährigen früheren Chef der Militärjunta, die am 24. März 1976 in Argentinien die Macht übernommen hatte und sie mörderisch ausübte.

Rund drei Jahrzehnte nach dem Ende seiner Militärherrschaft ist der argentinische Ex-Diktator Jorge Videla (Foto: dpa) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden. Ein Gericht in Córdoba befand den 85-Jährigen am Mittwochabend (Ortszeit) des 31-fachen Mordes an Häftlingen in einem Gefängnis in Córdoba für schuldig. Nach der damals offiziellen Version waren die 31 Gefangenen »auf der Flucht erschossen« worden. Videla war schon einmal 1985 zu lebenslanger Haft verurteilt worden, fünf Jahre später wurde er jedoch begnadigt.

Neben Videla standen weitere 28 Mitangeklagte vor Gericht, darunter auch der ehemalige General Luciano Menéndez (83). Fünfzehn Mal verhängte das Gericht eine lebenslange Haft, sieben Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen sechs und 14 Jahren, sieben wurden freigesprochen. Für Ex-General Menéndez ist es damit die fünfte lebenslange Haftstrafe. Das Gericht ordnete zudem an, dass die Männer ihre Strafe in einem normalen Gefängnis verbüßen müssen, sofern ihr Gesundheitszustand es zulasse.

Der damalige General Videla hatte am 24. März 1976 als Chef einer Militärjunta die Macht übernommen und ein diktatorisches Regime errichtet. 1981 wurde er abgelöst. Zwei Jahre nach dem Ende der Militärherrschaft wurde er 1985 zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach fünf Jahren Haft begnadigte ihn der damalige Präsident Carlos Menem. 2007 hatte der Oberste Gerichtshof den Gnadenerlass jedoch aufgehoben. Seit Oktober 2008 sitzt Videla in einem Militärgefängnis ein. Eine Auslieferung nach Deutschland wegen der Ermordung deutscher Staatsangehöriger hatte Argentinien wiederholt abgelehnt.

In seinem Schlusswort vor der Urteilsverkündung übernahm Videla »voll und ganz meine Verantwortung. Meine Untergebenen haben nur Befehle ausgeführt.« Der für sein hohes Alter agile Videla rechtfertigte die Machtübernahme. »Es war ein interner Krieg von terroristischen Organisationen gegen die Institutionen der Republik.« Der Putsch war eine Reaktion auf den »internen Kriegszustand« und gegen die Übernahme des Landes durch marxistische Terroristen. Worte der Reue waren von Videla nicht zu hören. »Man kam an Grenzsituationen. Die Gräuel des Krieges sind schwer zu rechtfertigen«, sie müssten im Rahmen des internen kriegerischen Konflikts verstanden werden, so Videla. Er werde die ungerechte Strafe unter Protest annehmen, als einen weiteren Dienst für die Eintracht des Landes. »Die Terroristen von gestern regieren heute unser Land. Sie versuchen als Ritter der Menschenrechte aufzutreten. Sie brauchen keine Gewalt, denn sie sind an der Macht«, so Videla.

Adolfo Pérez Esquivel sagte, »diese Herren betrachteten sich als Eigentümer des Lebens und des Todes eines ganzen Volkes«. Ihr Fundament war die Straflosigkeit. Die Verurteilung Videlas ist ein Präzedenzfall, nicht nur in Argentinien, sondern weltweit, so der argentinische Friedensnobelpreisträger von 1980.

Laut Generalstaatsanwaltschaft hat die juristische Aufarbeitung 2010 einen neuen Höhepunkt erreicht. Nie zuvor wurden so viele Urteile bei Prozessen wegen Menschenrechtsverbrechen gesprochen wie im laufenden Jahr. In 17 Verfahren wurden 108 Angeklagte zu teils hohen Haftstrafen verurteilt. Damit hat sich die Zahl der Verurteilten gegenüber dem Vorjahr versechsfacht. Gegenwärtig warten weitere 800 Angeklagte auf ihren Prozess – allerdings gut 40 Prozent davon in Freiheit.

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