nd-aktuell.de / 24.12.2010 / Brandenburg / Seite 14

Kinder als Co-Regisseure

Mozarts »Entführung aus dem Serail« als Taschenoper im Radialsystem V

Volkmar Draeger
Bassa Osmin und Konstanze begeistern das junge Publikum.
Bassa Osmin und Konstanze begeistern das junge Publikum.

Der Maestro hätte sicher Freude daran gehabt, wie sie in einem kleinen Boot so hereinschaukeln, Belmonte und seine Konstanze. Gilt Mozart doch als Mann von Witz, befand sich zudem während der Komposition jener Oper selbst auf Brautzug: Konstanze hieß die Angebetete, Konstanze Weber, geehelicht wider den Willen der Mutter. Was auf Geheiß des österreichischen Kaisers Joseph II. entstand, das deutsche Singspiel »Die Entführung aus dem Serail«, was am Italo-Klüngel um Salieri fast gescheitert wäre und erst auf höchste Kabinettsorder 1782 uraufgeführt wurde, arbeitet neben Mozarts eigener Verliebtheit auch die populäre »Türkenmode« auf. Dem 25-jährigen Komponisten gelang ein großer Wurf, der 1788 auch im Theater am Gendarmenmarkt gegeben wurde. Vor erwachsenen Zuschauern. Wie aber sichert man heute, über 200 Jahre später, der Oper eine neue, junge Zuschauerschaft? Die Taschenoper Lübeck weiß darauf eine Antwort. Sie zeigt große Oper für kleine Menschen ab sechs Jahren, bereitet die Stoffe kindgemäß und verständlich auf. Etwa den von Belmonte und Konstanze.

Was bei Mozart zwei Stunden dauert, sechs Rollen und Orchester braucht, reduzieren die Lübecker auf 60 Minuten, drei Akteure und ein Streichquartett. Sie rücken auch den Sprechtexten heftig zu Leibe. Konstanze ist hinter ihrer Sonnenbrille eine Blondine, die gern fröhlich ist und singt und von Belmonte ins falsche Fahrwasser manövriert wird. Da kippt sie ins Meer, landet auf einer welligen Insel aus Styropor, wird von Bassa Osmin von Mund zu Mund beatmet. Leicht verliebt man sich da in seinen Lebensretter. Auch der entflammt sofort für die Schöne aus der deutschen Marzipanstadt. Und schon beginnt für die Saalkinder der Mitmachspaß: Zwei dürfen Konstanze helfen, sich als Orientalin zu gewanden.

Als Eigner der Insel und Großmogul in Person möchte Bassa der Frau seines Herzens eine Oase bauen, singt für sie, lässt drei andere Kinder als Paradiesvogel und Kakteen agieren. Selbst einen von Kindern instrumental begleiteten Jubelchor studiert Bassa mit den Zuschauern ein. Konstanze fühlt sich überrannt, begehrt auf und weiß, als auch Belmonte reumütig auftaucht, nicht mehr, wem sie vertrauen soll. Fast schlagen sich die Rivalen, da hat Belmonte die Idee zu einem Konstanze-Versöhnungs-Lied. Drei Mädchen dürfen unter die Blond-Perücke schlüpfen und je eine Belmonte-Arie anhören. Am Ende bestimmen die Zuschauer, welche die Geliebte hören soll. Haushoch siegt, etwa gegen das lyrische »O wie ängstlich, o wie feurig«, die Romanze von der im Mohrenland Gefangenen.

In der Tat bewirkt das bei Konstanze die Rückkehr ihrer Gefühle für Belmonte. »Welche Wonne, welche Lust« ihr das bereitet! Als der Romantische schon siegesgewiss Sekt und Ring auspackt, aber gegen Bassa redet, entlohnt ihn eine Ohrfeige. »O wie will ich triumphieren«, entfährt es dem Großmogul und animiert ihn zum Heiratsantrag. Als Konstanze ablehnt, wird sie, wieder mit Hilfe der Kinder, in einen Teppich eingewickelt. »Vivat, Bacchus« schmettern die Konkurrenten, Osmin pichelt fleißig Sekt und schläft, keinen Alkohol gewöhnt, ein. Noch ehe das Paar fliehen kann, erwacht er und fesselt beide. Wieder dürfen die Kinder entscheiden, bei wem Konstanze bleiben soll. Belmonte gewinnt, Bassa akzeptiert, das Boot schaukelt davon. Und die kleinen Zuschauer haben Berührungsängste vor der Oper verloren, noch ehe sie entstehen konnten.

Margrit Dürr, Gründerin der inzwischen renommierten Taschenoper, und Henning Kothe sind das Liebespaar, haben in Martin Backhaus einen ebenso profunden Osmin gefunden. Wer will, darf ihnen zum Abschied die Hand schütteln.

Nochmals am 26.12., 16 und 18 Uhr, Radialsystem V, Holzmarktstr. 33, Tel.: (030) 288 788 588, www.radialsystem.de[1]

Links:

  1. http://www.radialsystem.de