Brunsbüttel wird zum Kohle-Mekka

Stadt will ein weiteres Steinkohlekraftwerk

  • Dieter Hanisch, Brunsbüttel
  • Lesedauer: 3 Min.
Brunsbüttel ist der größte Industriestandort in Schleswig-Holstein. Nach 2008 haben die Stadtvertreter am Mittwochabend ein weiteres riesiges Kohlekraftwerk befürwortet.

Geht es nach der Mehrheit der Stadtverordneten in Brunsbüttel, wird ihre Stadt zum europäischen Kohle-Mekka. Mit dem Argument, dass Kohle und Atom als »Brückentechnologie« zum Energiemix gehörten, hat eine Mehrheit von CDU, SPD und FDP am Mittwochabend dem Bau eines weiteren Kohlekraftwerkes sowie einer nötigen Bauplanveränderung zugestimmt. Lediglich eine grün-orientierte lokale Wählerinitiative votierte geschlossen mit Nein.

Die Gegner des Projektes am größten Industriestandort Schleswig-Holsteins wollen nun klagen. Naturschützerische Belange würden beiseite geschoben, die Lebensqualität beschnitten – dabei hatte sich diese gerade erst erholt: Seit dem Stillstand des Atomkraftwerkes Brunsbüttel im Juli 2007 entwickelten sich etwa die Fischbestände in der Unterelbe zum Positiven, wie Untersuchungen im Zuge der Genehmigungsverfahren der jetzt beantragten Kohlekraftwerke zeigten. Hauptkritikpunkt der Kohlekraftwerksgegner sind die Emissionen aus dem laufenden Betrieb der Anlage sowie eine geplante offene Kohlehalde.

Der Projektträger Süd-West-Strom aus Tübingen begrüßte die Entscheidung und erwartet nun die Baugenehmigungen aus dem Kieler Umweltministerium. Ob das so schnell geht, hängt nun zum einen von den angekündigten Klagen ab, zum anderen von Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die die Anleger gerade anstellen. Die neuen Energiepläne der Bundesregierung mit der Verlängerung von Restlaufzeiten im AKW-Bereich haben bei den Anlegern für Verunsicherung gesorgt.

Geplant sind zwei Blöcke mit je 900 Megawatt; Brunsbüttel wäre damit das größte deutsche Kohlekraftwerk. Kostenpunkt: Drei Milliarden Euro. Laut Süd-West Strom wurden bereits 20 Millionen in die Planung gesteckt.

Von den kommunalen Energieversorgern dürften noch etliche abspringen wie zuletzt die Stadtwerke im niedersächsischen Rotenburg nach einem entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss. Die Stadtwerke im schwäbischen Bietigheim-Bissingen haben ihr endgültiges Ja erst für 2012 in Aussicht gestellt. Die Geschäftsführung von Süd-West-Strom hatte vor vier Jahren noch die Inbetriebnahme 2012 kommuniziert. Die neue Sprachregelung lautet, frühestens 2015 werde man Strom ins Netz abgeben – wenn überhaupt.

Karsten Hinrichsen von der Bürgerinitiative »Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe« hält das ganze Projekt für eine »Totgeburt«. »Die Stadt erkennt nicht die Zeichen der Zeit«, so Hinrichsen. Der parteilose Bürgermeister Wilfried Hansen sieht vor allem die 400 Arbeitsplätze, die Süd-West-Strom versprochen hat.

Im Einwendungsverfahren hat der Investor erklärt, Kohle aus Kolumbien im Hafen von Brunsbüttel zur Verfeuerung umschlagen zu wollen. Über die Ökobilanz in dem südamerikanischen Land, über die mit dem Bergbau einhergehenden Vertreibungen indigener Gruppen, die Kritiker monieren, redet man hierzulande nicht so gerne.

Bereits Ende 2008 machte die Ratsversammlung den Weg frei für ein Kohlekraftwerk von 800 MW-Größe. Bauträger ist der französisch-belgische Energiekonzern Electrabel. Auch hier ist bisher aber noch kein Bagger gerollt.

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