Ich begreife mich als Irrgarten

HARTMUT LANGE. Er ist der unerreichte deutsche Novellist der zersplitternden Gewissheiten. Seine Prosa siedelt in der Nähe einer listigen Vortäuschung von Sachlichkeit. Aber hinter brillant nüchternen Sätzen lauert eine Widerspruchskultur aus dem Geist Kafkas. Jeder Ort in dieser Prosa, sei es eine Stadtvilla oder eine Straßenecke, ist ein Weltklippenrand. Berühmte Novellen: »Die Waldsteinsonate«, »Das Konzert«, »Die Wattwanderung«. Weitere Werke, u.a.: »Die Selbstverbrennung« (Roman), »Tagebuch eines Melancholikers« (Aufzeichnungen), »Irrtum als Erkenntnis – Meine Realitätserfahrung als Schriftsteller«. Lange ist Autor des Zürcher Diogenes Verlages. Er wurde 1937 in Berlin geboren, studierte an der Filmhochschule Babelsberg, war Dramaturg am Deutschen Theater, schrieb Stücke – Ästhetik und Geist dicht bei Peter Hacks, Heiner Müller. Eine Reise nach Jugoslawien 1965 wurde zur Abkehr von der DDR. In Westberlin arbeitete er als Regisseur und Dramaturg, an der Schaubühne, am Schiller Theater. Heute lebt Lange mit seiner Frau Ulrike in Italien und Berlin. In seiner Prosa genügt eine winzige Abweichung vom Geläufigen, und sorgsam gehegte Harmonien des Bürgerlichen zerplatzen, Einverständnisse des (Zusammen-)Lebens wandeln sich ins Scherbengericht. Nach der Lektüre trittst du vorsichtiger auf den vermeintlich so sicheren Boden...
HARTMUT LANGE. Er ist der unerreichte deutsche Novellist der zersplitternden Gewissheiten. Seine Prosa siedelt in der Nähe einer listigen Vortäuschung von Sachlichkeit. Aber hinter brillant nüchternen Sätzen lauert eine Widerspruchskultur aus dem Geist Kafkas. Jeder Ort in dieser Prosa, sei es eine Stadtvilla oder eine Straßenecke, ist ein Weltklippenrand. Berühmte Novellen: »Die Waldsteinsonate«, »Das Konzert«, »Die Wattwanderung«. Weitere Werke, u.a.: »Die Selbstverbrennung« (Roman), »Tagebuch eines Melancholikers« (Aufzeichnungen), »Irrtum als Erkenntnis – Meine Realitätserfahrung als Schriftsteller«. Lange ist Autor des Zürcher Diogenes Verlages. Er wurde 1937 in Berlin geboren, studierte an der Filmhochschule Babelsberg, war Dramaturg am Deutschen Theater, schrieb Stücke – Ästhetik und Geist dicht bei Peter Hacks, Heiner Müller. Eine Reise nach Jugoslawien 1965 wurde zur Abkehr von der DDR. In Westberlin arbeitete er als Regisseur und Dramaturg, an der Schaubühne, am Schiller Theater. Heute lebt Lange mit seiner Frau Ulrike in Italien und Berlin. In seiner Prosa genügt eine winzige Abweichung vom Geläufigen, und sorgsam gehegte Harmonien des Bürgerlichen zerplatzen, Einverständnisse des (Zusammen-)Lebens wandeln sich ins Scherbengericht. Nach der Lektüre trittst du vorsichtiger auf den vermeintlich so sicheren Boden...

ND: Hartmut Lange, Sie waren Schriftsteller in der DDR und haben gesagt, dort seien das soziale Gewissen und dessen politische Analyse Ihre »Lebensdominanten« gewesen.
Lange: Ein soziales Gewissen habe ich natürlich noch immer. Lebensdominante meint: Ich habe die Welt, etwa mit Hilfe von Hegel und dem Marxismus, lange Zeit auf einen Begriff bringen können. Aber irgendwann gelang mir das nicht mehr. Denn ich entdeckte mich als Subjekt, also: Ich empfand plötzlich, dass ich nicht nur politisch, sondern auch existenziell determiniert bin. Fortan blieb jenes Erfolgserlebnis aus, das der Marxismus bietet. Dies besteht ja darin, dass einem das Leben und das Denken eine dauernd beflügelnde Gelegenheit zur Erkenntnis sind. Aber Existenz lässt sich durch Erkenntnis nicht absichern.

Keine beglückende Erkenntnis.
Richtig. Wenn man den gesicherten Raum der Abstraktion verlässt, beginnt der freie Fall. Ohne den Hegelschen Rationalismus und ohne die...


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