ND: Hartmut Lange, Sie waren Schriftsteller in der DDR und haben gesagt, dort seien das soziale Gewissen und dessen politische Analyse Ihre »Lebensdominanten« gewesen.
Lange: Ein soziales Gewissen habe ich natürlich noch immer. Lebensdominante meint: Ich habe die Welt, etwa mit Hilfe von Hegel und dem Marxismus, lange Zeit auf einen Begriff bringen können. Aber irgendwann gelang mir das nicht mehr. Denn ich entdeckte mich als Subjekt, also: Ich empfand plötzlich, dass ich nicht nur politisch, sondern auch existenziell determiniert bin. Fortan blieb jenes Erfolgserlebnis aus, das der Marxismus bietet. Dies besteht ja darin, dass einem das Leben und das Denken eine dauernd beflügelnde Gelegenheit zur Erkenntnis sind. Aber Existenz lässt sich durch Erkenntnis nicht absichern.
Keine beglückende Erkenntnis.
Richtig. Wenn man den gesicherten Raum der Abstraktion verlässt, beginnt der freie Fall. Ohne den Hegelschen Rationalismus und ohne die...