Fleißige Paten, gesunde Kinder

Das Sozialministerium gibt auch 2011 eine Million Euro für die 18 Netzwerke im Land aus

Fünf Jahre ist es her, dass sich Sozialminister Günter Baaske (SPD) das Konzept für die Netzwerke Gesunde Kinder erläutern ließ. Als ihm Kinderarzt Hendrik Karpinski erzählt habe, er wolle das Projekt ausschließlich mit ehrenamtlichen Helfern verwirklichen, »war ich geneigt, ihm einen Vogel zu zeigen«, erinnerte sich Baaske gestern. Der Minister dachte nicht, dass es so funktionieren würde. Aber es funktioniert.

Aktuell kümmern sich landesweit 924 Paten und Hebammen um junge Familien. Wird ein Kind geboren, kommen die Paten ins Haus und geben Ratschläge. Sie fragen zum Beispiel nach dem Wickeltisch und geben Hinweise, wo er am besten aufzustellen wäre, oder sie erinnern an die nächste fällige Reihenuntersuchung. Elf Besuche sind vorgesehen: der erste noch vor der Entbindung, die anderen zehn dann bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Doch viele Paten schauen auch noch öfter vorbei.

Henrik Karpinski gilt als Vater der Netzwerke. Er hatte die Idee und er machte es in Senftenberg vor, wo er Geschäftsführer des Klinikums Niederlausitz ist. Gedacht hatte er in eine neue Richtung. Es ging ihm nicht etwa darum, nur die scheinbaren Problemfamilien zu finden und ihnen auf die Finger zu sehen. Karpinskis Ansatz war keine Reaktion auf verwahrloste Kinder. Er wollte im Gegenteil positiv denken: Es ist schön, wenn ein Kind zur Welt kommt, und es wäre gut, wenn man den Eltern in der Anfangszeit helfen könnte – allen Eltern.

So wird es inzwischen angestrebt in 30 Orten wie Wittstock, Rathenow und Prenzlau, Schwedt und Eisenhüttenstadt, Lübben und Lübbenau, Forst und Spremberg. 18 Netzwerke haben sich gebildet. Die Prignitz ist der einzige Landkreis, in dem es stattdessen einen anders gearteten Betreuungsdienst gibt, ebenso wie in den Städten Potsdam und Frankfurt (Oder).

»Die Paten kommen nicht, weil die Mutter schlecht ist, sondern weil es gut ist, wenn jemand kommt«, betont Karpinski. Bei den Eltern kam diese Botschaft an. Sie möchten besucht werden – und das quer durch alle Gesellschaftsschichten, vom Langzeitarbeitslosen bis zum Rechtsanwalt oder Politiker. Das Problem sei, genug Paten zu finden, heißt es.

Ursprünglich dachte Karpinski, es würden sich vornehmlich ältere Damen für diese ehrenamtliche Tätigkeit interessieren. Tatsächlich seien es jedoch jüngere, zum Teil sehr junge Frauen. Nur sehr wenige Männer machen mit. Die Paten sind im Durchschnitt 47 Jahre alt. 90 Prozent von ihnen haben eigene Kinder, 61 Prozent sind berufstätig. Manche Paten betreuen nur eine Familie, andere zehn Familien. Mehr sollen es nicht sein, damit es nicht zu viel wird, erläutert Karpinski.

Am Beginn der Tätigkeit stehen Schulungen, die später fortgesetzt werden. Mindestens 30 bis 40 Stunden werden die Paten auf ihren Einsatz vorbereitet. Einige von ihnen wollten sich ursprünglich nur einer bestimmten Familie widmen. Nur deswegen lassen sie sich zum Paten qualifizieren. Aber dann gefällt es ihnen so gut, dass sie weitermachen. In der Regel opfern die Paten 8,5 Stunden im Monat für ihre Besuche.

Die Stimmung in den Netzwerken ist gut, hat Sozialminister Baaske beobachtet. Das sei auch sehr wichtig. Es entwickelten sich Freundschaften.

Derzeit bekommt jedes fünfte Neugeborene im Land einen Paten geschickt. Die Mütter werden bei der Schwangerenberatung oder beim Frauenarzt auf das Angebot aufmerksam gemacht, spätestens jedoch auf der Geburtsstation. Karpinski wünscht sich, dass für jedes zweite Kind ein Pate da wäre. Schließlich kann er auf Erfolge verweisen. In der Regel nehmen Eltern mit geringerer Bildung gesundheitliche Probleme ihrer Kinder nicht so gut wahr, weiß der Mediziner. Doch deute sich an, dass durch die Paten eine höhere Sensibilität erreicht werde. Wenn das eherne Gesetz, dass bei einer schwierigen sozialen Lage automatisch der Gesundheitszustand schlechter ist, aufgehoben werden könnte, dann wäre das eine »Sensation«, frohlockt Karpinski.

68,8 Prozent der Kinder, die einen Paten haben, werden von den Eltern zur Reihenuntersuchung U 7 gebracht. Insgesamt sind es nur 56,8 Prozent. 92,3 Prozent der Patenkinder verfügen über einen Impfausweis (sonst 88,2 Prozent). Angesichts solcher Ergebnisse fördert das Sozialministerium die Netzwerke sehr gern. 60 000 Euro Zuschuss pro Landkreis und 30 000 für eine kreisfreie Stadt gibt es. Das summiert sich auf eine Million Euro pro Jahr. Der Betrag sei vergleichsweise gering, das Geld »gut angelegt«, meint der Minister. Es würde ihm gefallen, wenn die Krankenkassen in die Finanzierung einstiegen. Aber auch wenn sie das nicht tun, wackeln die Netzwerke nicht. Zumindest für das nächste Jahr ist die Million wieder fest eingeplant.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal