Neues Zuckerbrot für den Schiffbau?

Aussichten auf staatliche Werfthilfen gestiegen

  • Victoria Walter
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch sind die Arbeitsplätze in den Werften an der Waterkant nicht gesichert. Denn nach der jüngsten Krisensitzung der EU-Industrieminister ist noch unklar, ob der europäische Schiffbau im Konkurrenzkampf gegen die südkoreanischen Firmen finanzielle Rückendeckung durch die öffentliche Hand erhält.
Die Aussichten sind immerhin beträchtlich gestiegen und bis Ende Juni sollen die Würfel gefallen sein. Darauf lässt ein Kompromisspaket über die befristete Wiedereinführung gezielter Schiffbau-Beihilfen hoffen, das die EU-Kommission den zerstrittenen Mitgliedsstaaten nach mehr als einjährigem Streit und massivem Druck aus Berlin und Paris nun zähneknirschend präsentiert hat. Beschlossen ist es noch nicht, weil dafür noch die erforderliche Mehrheit fehlt. Briten, Skandinavier und Niederländer wollen kein Geld in den Schiffbau stecken, die französische Regierung will mitten im Wahlkampf keinen Rückzieher von bisherigen Maximalforderungen machen. Dies allerdings dürfte sich nach der zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen ändern. Und so bleibt das Hilfspaket für die Werften vorerst im Eisschrank, könnte aber kurzfristig aufgetaut werden. Hebt Paris nach dem 22. Juni den Daumen, gibt es für die Schiffbau-Beihilfen eine knappe, aber ausreichende Mehrheit.

Verhandlungen mit Südkoreanern
Das Kompromisspaket, zu dem sich die EU-Kommission breitschlagen ließ, enthält zum einen ein Zuckerbrot für die französischen Werften. Die dort gebauten Flüssiggastanker, die nach dem bisherigen Vorschlag nicht subventioniert werden sollten, würden in die Liste der beihilfefähigen Schiffstypen aufgenommen. Das Zuckerbrot wird aber mit einer bitteren Pille serviert. Die Einbeziehung der Tanker wäre nur eine Art Vorratsbeschluss. Fließen dürften die staatlichen Beihilfen erst, wenn in einer neuen Studie der EU-Kommission unfaire Handelspraktiken der Südkoreaner im Tankergeschäft bewiesen sind. Damit dürfte die Regierung in Paris den eigenen Werften frühestens im Frühjahr 2003 unter die Arme greifen. Zugleich würde die EU für alle Schiffbau-Beihilfen die Daumenschrauben anziehen. Deren Höchstgrenze soll von den bislang vorgeschlagenen 14 Prozent auf 6 Prozent des Auftragswertes eines Schiffes herabgesetzt werden. Damit nimmt die EU-Kommission Zündstoff aus der Debatte. Die Schweden und die Finnen, die bei zu hohen Subventionen in Deutschland um die Existenz der eigenen Werften fürchten, wären teilweise besänftigt. Die Deutschen und die anderen EU-Schiffbau-Nationen haben erkennen lassen, dass sie damit leben können.
Drittes Element des Kompromisspakets ist ein weiterer Anlauf, die Südkoreaner doch noch zur Aufgabe ihrer subventionierten Billigpreise zu zwingen. EU-Handelskommissar Pascal Lamy soll der Regierung in Seoul klarmachen, dass die Europäer anderenfalls mit eigenen Subventionen gegenhalten werden. Wenn auch diese Drohung nicht ausreicht, um bis Ende September eine Verhandlungslösung zu erzwingen, soll der Geldhahn für die deutschen und anderen europäischen Werften aufgedreht werden.

Deutsche Hilfen frühestens ab 1. Oktober
Zeitgleich würde die EU-Kommission bei der Genfer Welthandelsorganisation (WTO) gegen Südkorea klagen. Das EU-Beihilfenregime ist deshalb bis Ende März 2004 befristet. Da niemand ernsthaft damit rechnet, dass die Südkoreaner einknicken, gilt die Einführung des EU-Beihilfenregimes im Herbst als wahrscheinlichste Variante. Auch die Regierung in Paris dürfte es abnicken. Würde sie höher pokern, könnte sich selbst die vage Aussicht auf Beihilfen für die französischen Flüssiggastanker für längere Zeit in Luft auflösen. Ab 1. Juli übernehmen die Dänen das Ruder des EU-Vorsitzes, die zu den erklärten Gegnern jeglicher Schiffbau-Beihilfen gehören. Sie dürften das Kompromisspaket samt Tanker-Vorratsbeschluss kaum aus dem Kühlschrank holen.
Kommt es damit wie erwartet zwischen dem 23. und 30. Juni noch unter spanischem EU-Vorsitz zu einer Mehrheitsentscheidung, darf Deutschland die eigenen Werften ab 1. Oktober finanziell unterstützen. Diese würden vor allem bei Containerschiffen, bei denen sie massiv an Marktanteilen an die Südkoreaner verloren haben, die ersehnten staatlichen Beihilfen erhalten. Sie könnten damit ihre Verkaufspreise deutlich senken, um wieder mehr Aufträge an Land zu ziehen. Ob die sechs Prozent ausreichen, um auf dem Weltmarkt ernsthaft mitmischen und gegen die Südkoreaner auftrumpfen zu können, muss sich zeigen. Mehr jedenfalls dürften der Bund und die betroffenen Küstenländer, die zwei Drittel des Geldes berappen müssen, nicht springen lassen.
#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal