»Berlin ist pleite, und ich bin schuld«

15000 Mitarbeiter der Bezirksämter protestierten gegen die Sparpolitik des Senats

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Schwarze T-Shirts waren gestern der Renner bei der »größten Personalversammlung aller Zeiten in Deutschland«, wie sie Gewerkschafter immer wieder nannten. Für fünf Euro konnten sich die Teilnehmer aus den Bezirksämtern die Hemdchen überstreifen, worauf dann auf Brust und Rücken zu lesen war: »Berlin ist pleite, ich bin schuld«. Trotzige Reaktion auf die Ansicht mancher Politiker, »wir tragen nur den Kaffeepott durch die Gänge«, wie ein Angestellter aus dem Bezirksamt Kreuzberg-Friedrichshain seinem Ärger Luft machte. 15000 Bedienstete waren zu der ersten gemeinsamen Personalversammlung der zwölf Bezirke gekommen, mehr als die Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg fassen konnte. 3000 mussten vor der Halle über das Geschehen drinnen informiert werden. Zahlreiche Kitas und Ämter blieben deshalb geschlossen. Auch die Bezirksbürgermeister waren nicht in ihren Büros, sondern in der Schmeling-Halle. Erstmals hatte der Rat der Bürgermeister gemeinsam mit den Personalvertretern eingeladen. Diese sprachen anschließend von einem »Schulterschluss«. Es sei deutlich geworden, dass die Bezirke die Hauptleidtragenden der geplanten Sparmaßnahmen sind, sagte ver.di-Landeschefin Susanne Stumpenhusen. Unter den Beschäftigten herrsche große Sorge, wie es mit den öffentlichen Dienstleistungen, auf die die Bürger ein Anrecht hätten, weitergehen solle. Stumpenhusen musste den Mitarbeitern erklären, warum die Gewerkschaft überhaupt mit Senatsvertretern über einen Solidarpakt redet, »von denen die Beschäftigten unentwegt als Kostenfaktor beleidigt« würden: »Weil wir jede Möglichkeit nutzen zur Nachhilfe, dass man nicht in geltende Tarifverträge eingreifen kann.« Der Senat will u.a. durch freiwilligen Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Arbeitszeitverkürzung ohne Einkommensausgleich die Personalausgaben im kommenden Jahr um 250 Millionen Euro reduzieren. »Einen Einkommensverzicht wird es mit uns nicht geben«, erteilte die Sprecherin der Bezirkspersonalräte, Andrea Kühnemann, dem geplanten Solidarpakt in dieser Form eine Absage. Thema in den Gesprächen mit dem Senat sei nicht Gehaltsverzicht, sondern wie man den öffentlichen Dienst erhalten kann, sagte Stumpenhusen. Besondere Empörung lösten neue Einzelheiten aus dem Hause des Finanzsenators zum geplanten zentralen Stellenpool aus. Danach solle »identifiziertes Überhangpersonal« bei der Finanzverwaltung angesiedelt werden und nicht mehr dezentral zum Beispiel über die Bezirke vermittelt werden, so die ver.di-Chefin. Dafür solle eine eigene Dienstelle geschaffen werden. Sie bezweifle, ob das rechtlich möglich sei. Mit einer einstimmig angenommenen Resolution stärkten die Bezirksamtsmitarbeiter ihren Gewerkschaftsvertretern den Rücken für die Verhandlungen mit dem Senat. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wird darin vorgeworfen, den sozialen Frieden in der Stadt zu gefährden. Für den 25. Juni kündigte ver.di eine gemeinsame Großkundgebung der Gewerkschaften an. Motto: »Für eine andere Politik in Berlin«. Vermutlich heute entscheidet es sich, ob und wann es einen weiteren Warnstreik in den Kitas geben wird.
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