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Die Engländer wie Minimalisten

  • Heinz Werner (66), von 1976 bis 1983 Trainer des 1. FC Union Berlin
  • Lesedauer: 2 Min.
Es war ein Spiel, das keinen von den Sitzen riss. Die Engländer spielten gegen Nigeria ergebnisorientiert und wollten sich keine Blöße geben. Sie wollten unbedingt nicht verlieren, aber sie wollten offenbar auch nicht unbedingt gewinnen. Oder war es der Respekt vor Nigeria? Diese 0:0-Taktik hat mich überrascht. So etwas ist ja nicht ungefährlich, denn das kann am Ende glatt daneben gehen und in einer Niederlage enden. Doch offensichtlich setzten die nach dem 1:0-Sieg über den zweifachen Weltmeister Argentinien von sich so überzeugten Engländer auf die Schweden, die es gegen die Argentinier schon richten würden. Ich hatte offen gestanden stärker auf die Argentinier gesetzt, die bei einem Sieg die Schweden aus dem Turnier geworfen hätten... Somit aber war dem England-Nigeria-Spiel die Spannung genommen, nicht zuletzt auch durch die 1:0-Führung der Schweden gegen Argentinien nach knapp einer Stunde. Die Engländer agierten besonnen, übertrieben aber vor allem in der ersten Halbzeit die Defensive und waren insgesamt reichlich unterkühlt, doch als Mannschaft recht kompakt. Sie kontrollierten das Spiel und vermieden jedes Risiko. Minimalisten eben. Die englische Abwehr stand sicher und hatte kaum brenzlige Situationen zu überstehen. Stark waren die Engländer über den linken Flügel. Bei den Nigerianern hatte ich den Eindruck, dass sie es ebenfalls darauf anlegten, gegen den renommierten Gegner bloß nicht zu verlieren. Damit beraubten sie sich ihrer Siegchance. Und so unverständlich mir auch manche Praktiken im nigerianischen Fußball-Verband sind - nach dem enttäuschenden dritten Rang beim Afrika-Cup trennte man sich vom Trainerstab und von Führungsspielern -, so imponierend war andererseits, dass Nigeria viele junge Leute einsetzte. Für eine Weltmeisterschaft ungewöhnlich. Es ist durchaus eine Mannschaft der Zukunft. Vergessen sollte man bei allen kritischen Einwänden zu diesem Spiel nicht: Es herrschten mit über 30 Grad auch sehr hohe Temperaturen, die den Spielern alles abverlangten. Auch den Nigerianern, die in den letzten 20 Minuten kaum noch fähig waren, das Spiel geordnet nach vorn zu bringen. Und in dieser Phase traten die Engländern auch hinten kaum heraus. Das führte letztlich dazu, dass kein großes Spiel zustande kam, was man sich eigentlich versprochen hatte.
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