nd-aktuell.de / 11.01.2011 / Gesund leben / Seite 17

Mit Kamm und Giftcocktail

Kopfläuse sind kein Zeichen für unhygienische Verhältnisse

Angela Stoll

Meine Tochter sitzt gemütlich auf meinem Schoß, als mein Blick auf ihren Kopf fällt. Was ist denn das? Ganz kurz erscheint ein winziges längliches Tierchen am Scheitel – und hat sich schon wieder im Haar verkrochen. Mir drängt sich ein übler Verdacht auf: Meine Tochter hat Läuse! Igitt! Wie kann das sein, wenn sie sich doch nie gekratzt hat?

Dass man Läusebefall am Juckreiz erkennen kann, ist ein weit verbreiteter Irrtum: »Hat ein Kind zum ersten Mal Läuse, dauert es ein bis zwei Wochen oder noch länger, bis es auf dem Kopf zu jucken beginnt«, klärt mich Michael Forß-bohm, Leiter der Abteilung Infektionsschutz beim Gesundheitsamt Wiesbaden, auf. Wenn Läuse zustechen, gelangt mit ihrem Speichel ein betäubender Stoff in die Haut, so dass das Opfer den Stich nicht bemerkt. Der Speichel enthält Substanzen, die das Immunsystem als Fremdeiweiß erkennt. Gelangen diese Antigene immer wieder in den Körper, kommt es zu einer allergischen Reaktion, die mit Juckreiz verbunden ist. »Bis sich diese Reaktion einstellt, können sich die Läuse oft unbemerkt verbreiten«, erklärt der Fachmann. Hatte ein Kind dagegen schon mal mit den Blutsaugern zu tun, so fängt es oft bereits nach ein bis zwei Tagen an zu jucken.

Als ich die Läuse im Kindergarten melde, stellt sich heraus, dass die Tierchen sich dort schon ausgebreitet haben. Die betroffenen Eltern tauschen rege Insidertipps aus: Wie lange muss der Teddy in den Gefrierschrank? Reicht es, Stofftiere eine Weile in Plastiksäcke zu stecken? Sollte man das Bad mit »Sagrotan« bearbeiten? Hinter diesem Treiben steckt die nächste Fehleinschätzung: Immer noch meinen viele Menschen, dass man Läuse durch Putzen vertreiben könnte. Dabei spielen Hygienemaßnahmen bei der Bekämpfung kaum eine Rolle, da die Parasiten fast ausschließlich direkt von Kopf zu Kopf wandern: »Über Gegenstände werden Läuse selten übertragen«, sagt Forßbohm. Die Insekten haben sich nämlich den Bedingungen auf der Kopfhaut angepasst: »Die 30 Grad, die dort herrschen, sind für sie optimal«, erklärt der Experte. »Fallen sie vom Kopf herunter, überleben sie meist nicht lang.«

Wasch- und Putzorgien haben oft noch ein weiteren Grund: Trotz aller Aufklärungsmaßnahmen hält sich hartnäckig das Vorurteil, die Parasiten hätten eine Vorliebe für Schmuddelkinder. Dabei heißt es beim Robert-Koch-Institut explizit: »Kopflausbefall hat nichts mit fehlender Sauberkeit zu tun, da Kopfläuse durch das Waschen der Haare mit gewöhnlichem Shampoo nicht beseitigt werden.« Eklig sind sie dennoch, die Blutsauger. Deshalb dreht sich für Eltern alles um eine Frage: Wie wird man die Lästlinge schnell wieder los? Wirken Klassiker wie »Goldgeist forte« und »InfectoPedicul«, die Insektizide wie Pyrethrum oder verwandte Gifte enthalten, am besten? Oder kann man auch neuen Medizinprodukten wie dem »Mosquito Läuseshampoo« oder »Nyda« vertrauen?

Nach derzeitigen Erkenntnissen spielt es kaum eine Rolle, welches Mittel man wählt – Hauptsache, man verwendet ein amtlich geprüftes Produkt und kämmt die Haare zwischen den Behandlungen immer wieder sorgfältig mit einem Läusekamm aus. Alle Produkte, die auf der sogenannten »Entwesungsmittelliste« stehen, wurden zuvor am Umweltbundesamt auf ihre Wirksamkeit getestet. Dazu zählen neben herkömmlichen Mitteln, die Pyrethrum, Permethrin oder Allethrin enthalten, auch Medizinprodukte mit Dimeticon: Diese Lösung auf der Basis von Silikon dringt in die Atmungsorgane der Läuse ein und lässt die Blutsauger schnell verenden, wie Birgit Habedank vom Umweltbundesamt berichet. Ebenfalls auf der Liste findet sich das »Mosquito Läuseshampoo«, das eine Mischung aus Kokosölderivaten und Sojaöl enthält.

Meine Tochter ist ihre Untermieter nun los: Ihre Tierchen vernichteten wir erfolgreich mit einem klassischen Giftcocktail aus der Apotheke. Doch der nächste Angriff der Minivampire kommt bestimmt.