Maritimer Münzschatz gegen Nazi-Raubgut

Wikileaks-Papier lässt einen Diplomaten-Deal zwischen Washington und Madrid vermuten

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Das US-Unternehmen Odyssey Marine Exploration aus Tampa (Florida) ist auf Wrack- und Schatzsuche spezialisiert. Vor vier Jahren entdeckten Spezialisten der Firma vor Portugals Südküste eine gewaltige Menge an Silber- und Goldmünzen. Geschätzter Wert: 500 Millionen US-Dollar. So etwas hat es bislang noch nicht gegeben.

Der Schätz läge an Bord eines gesunkenen britischen Handelsschiffs, behauptete Odyssey. Doch spanische Archäologen glaubten den Amerikanern kein Wort. Sie informierten die Regierung in Madrid von ihrem Verdacht, dass es sich vermutlich um die Ladung der »Nuestra Señora de las Mercedes« handelt, die von den »US-Piraten« heimlich geborgen worden ist.

Die spanische Fregatte war während der napoleonischen Kriege am 5. Oktober 1804 von der britischen Marine versenkt worden. Drei weitere spanische Schiffe wurden gekapert.

Als Kriegsschiff wäre die »Mercedes« nach wie vor im Eigentum Spaniens – so wie der Schatz auch. Die Regierung in Madrid klagte vor einem Gericht in Tampa gegen Odyssey und erhielt 2009 in erster Instanz recht. Nicht zuletzt deshalb, weil sie von Washington unterstützt wurde. Odyssey legte Berufung ein – und erhielt nun unerwartete Unterstützung durch die diplomatischen Dokumente, die von Wikileaks veröffentlicht wurden. Ein von den Zeitungen »Guardian« und »El País« publiziertes Papier fasst angeblich ein Gespräch zwischen dem spanischen Kulturminister und dem US-Botschafter in Madrid zusammen. Es lässt auf einen ausgesprochen seltsamen Deal schließen.

Demnach soll Spanien im Gegenzug für die US-Schatzhilfe Nazi-Raubkunst zurückgeben. Konkret geht es um das Bild »Rue St. Honoré am Nachmittag im Regen«, das der spanische Impressionist Camille Pissarro 1897 in Paris gemalt hat und das heute Teil der Sammlung Thyssen-Bornemisza in Madrid ist. Der im letzten Oktober verstorbene Claude Cassirer, der als Klaus Cassirer in Berlin geboren wurde und dessen Familie in Kalifornien lebt, behauptet, seine jüdische Großmutter habe das Bild 1939 unter Zwang verkaufen müssen, um das rassistische Nazi-Deutschland verlassen zu können.

Rein logisch haben beide Fälle nichts miteinander zu tun, die »beide Angelegenheiten« sollten aber dennoch gemeinsam und »in einer Weise gelöst werden, die den bilateralen Beziehungen dient«. So kann man es in dem diplomatischen Papier nachlesen, das die Internetplattform veröffentlichte.

Greg Stemm, ein Begründer von Odyssey Marine Exploration, zeigte sich laut »New York Times« erstens entzückt davon, dass Wikileaks ein Fenster der internationalen Diplomatie geöffnet hat. Und zweitens war er empört, weil das US-Außenamt offensichtlich angeboten hat, »Odyssey, seine Tausenden von Aktionären und die vielen Jobs, die das Unternehmen geschaffen hat, für die Rückgabe eines Bildes an einen US-Bürger zu opfern.«

In einem Brief verlangte Odyssey von Außenministerin Hillary Clinton »eine vollständige Erklärung«. Weil eine Antwort bislang ausblieb, beantragte die Schatzsucher-Firma am Mittwoch vor dem Berufungsgericht in Atlanta, das den Rechtsstreit mit Spanien behandelt, die Stellungnahme der US-Regierung zurückzuweisen und die Offenlegung ihrer Interessen in diesem Fall zu verlangen.

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