nd-aktuell.de / 13.01.2011 / Politik

Polizeigewalt: Amnesty fordert unabhängige Untersuchungen

Berlin (epd). Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat unabhängige Einrichtungen zur Untersuchung von Polizeigewalt in Deutschland gefordert. Untersuchungen zeigten, dass Ermittlungen gegen Polizisten regelmäßig schneller eingestellt werden als andere Strafverfahren, sagte Amnesty-Expertin Katharina Spieß der in Berlin erscheinenden "tageszeitung" (Donnerstagsausgabe). "Aus eigenen Untersuchungen wissen wir: Es gibt eklatante Mängel bei den Ermittlungen."

Seit Mittwoch muss sich vor dem Magdeburger Landgericht erneut ein Polizist wegen des Todes des Afrikaners Oury Jalloh vor sechs Jahren in einem Dessauer Polizeirevier verantworten. Der Bundesgerichtshof hatte Anfang 2010 den erstinstanzlichen Freispruch für den Polizisten durch das Landgericht Dessau-Roßlau aufgehoben.

Laut Amnesty gibt es beispielsweise in Großbritannien, Irland und Norwegen bereits unabhängige Untersuchungskommissionen bei mutmaßlichen Straftaten durch Polizisten. "Oft reicht es schon, wenn eine solche Kommission die ermittelnde Polizei überwacht", sagte Spieß, die sich den Angaben zufolge als Juristin seit Jahren mit dem Thema Polizeigewalt in Deutschland beschäftigt.

Als einen ersten Schritt begrüßte Spieß die zentrale Polizeibeschwerdestelle, die vom Innenministerium in Sachsen-Anhalt eingerichtet wurde: "Es ist ein Anfang." Die Beschwerdestelle sei eine erste Anlaufstelle für Opfer von Polizeigewalt, "aber sie untersucht ja die Fälle nicht". Das mache weiterhin die Polizei.

2009 ist den Angaben zufolge erstmals in Deutschland eine Statistik über Ermittlungen wegen Polizeigewalt veröffentlicht worden. Amnesty zufolge gab es deutschlandweit knapp 3.000 Verfahren. Sie mache aber immer wieder die Erfahrung, dass Betroffene gar keine Anzeige erstatten, betonte Spieß. Grund sei etwa die Angst vor einer Gegenanzeige und das mangelnde Vertrauen, "das so eine Anzeige auch etwas bringt".