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Der Feuille-Ton ... der Anderen

  • Lesedauer: 2 Min.

In der »Welt« wundert sich Sascha Lehnartz darüber, dass der Enthusiasmus für ausländische Demokratiebewegungen in Frankreich offenbar zweierlei Maß kennt.

Als sich im Winter 1989/90 die Rumänen erhoben und sich des Diktatorpaars Ceaucescu entledigten, überschlugen die Franzosen sich beinahe vor Begeisterung. Keine Gelegenheit, den Freiheitsdrang des rumänischen Volkes zu unterstützen, wurde versäumt. Auf öffentlichen Gebäuden in Paris wehten rumänische Flaggen, aus denen das sozialistische Wappen herausgeschnitten war. Auch auf solche symbolischen Zeichen der Unterstützung warten die Tunesier momentan vergeblich. Woran das liegt, ist unklar. Befangenheit wegen der eigenen kolonialen Vergangenheit sowie die Ungewissheit darüber, was nach Ben Ali kommen mag, schwingen mit, doch erklären kann dies den fehlenden Enthusiasmus der Franzosen – wie den ganz Europas – für die tunesische Freiheitsbewegung nicht.

Die Tunesier empören sich, wir lesen die Bücher dazu. Theoretisch sind wir ganz gern für Freiheit.

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In der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« wünscht Nils Minkmar sich, dass etwas mehr tunesische Zivilcourage zu uns überschwappen würde.

Der Mut der tunesischen Demonstranten, einem vom Westen hochgerüsteten Regime entgegenzutreten, verdient größten Respekt. Es geht, wie in Iran, den Protestierenden nicht um den islamistischen Irrsinn, sondern um Freiheit, Wohlstand und das Streben nach Glück. Ein arabisches Land erteilt uns eine Lektion in Zivilcourage, die auch in Europa studiert werden sollte, denn auch wir haben Milliardäre mit Goldkettchen, die den Staat als Eigentum ihrer Clique verstehen. Ja: Die Mittelmeerunion ist plötzlich eine gute Idee. Wir sollten wirklich mal was zusammen machen.

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Aber wir haben doch die Grünen! Na ja, seufzt Brigitte Fehrle in der »Berliner Zeitung«. Protestieren können die zwar, aber zuhören?

Viele an der Basis – vor allem viele Linke – sehen trotz Regierungsbeteiligungen und Verantwortung in den Kommunen Politik immer noch als Kampf und den Kompromiss nicht als das Wesen der Demokratie, sondern als ein im besten Fall notwendiges Übel. Einher geht das mit der unerschütterlichen Vorstellung, Grüne seien die besseren Menschen, wüssten alles besser und behielten am Ende Recht. Diese Haltung ist es, die den Grünen bei ihrer neuen Verantwortung im Wege steht. Denn Verantwortung, die einem von 20 Prozent aufgegeben wird, die einen in die Lage bringen kann, Verantwortung fürs Ganze zu übernehmen, braucht in erster Linie das: ein offenes Ohr.

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