nd-aktuell.de / 20.01.2011 / Brandenburg / Seite 14

Streit über die Distanz zur DDR

Potsdam (epd). In der Enquetekommission zur Aufarbeitung der Geschichte zeichnet sich ein Konflikt über die Bewertung von Lehre, Forschung und politischer Bildung zur DDR ab. Der Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF), Martin Sabrow, hat ein von der Kommission in Auftrag gegebenes Gutachten scharf kritisiert, in dem seinem Institut unter anderem eine unzureichende Distanzierung von der DDR vorgeworfen werde.

Das Gutachten soll der Enquetekommission zufolge nicht vor der nächsten Sitzung des Gremiums am Freitag öffentlich gemacht werden. Das ZZF wehrt sich in einer Stellungnahme gegen die Beurteilung der eigenen wissenschaftlichen Arbeit in dem Gutachten des Politologen und langjährigen Funktionärs des CDU-Jugendverbandes Junge Union, Christian Thönelt. Das Gutachten offenbare eine »erhebliche Unvertrautheit« mit den gängigen wissenschaftlichen Verfahren zur Entwicklung zeitgeschichtlicher Forschungsthemen und verfehle damit die Leistungen des Instituts »eklatant«, schreibt Sabrow in der Stellungnahme.

Thönelt will nach Angaben der Enquetekommission – anders als sonst bei Verfassern von Gutachten üblich – nicht an der Sitzung des Gremiums am Freitag teilnehmen. Der Gutachter wurde laut Kommission auf Vorschlag des Gremiumsmitglieds Klaus Schroeder beauftragt. Schroeder leitet den Forschungsverbund SED-Staat und ist Professor an der Freien Universität Berlin.

Die Beurteilung, dass die »Bewertung der DDR auf Basis freiheitlich-demokratischer Prinzipien« in der Arbeit des ZZF »anscheinend keine Rolle« spiele, zeuge von einem »fachlichen Standpunktdenken, das weder zum Erwerb eigener noch gar zur Beurteilung fremder wissenschaftlicher Erkenntnis erhellend beitragen kann«, schreibt Sabrow in seiner Stellungnahme. Das Gutachten entspreche nicht dem »Standard der heutigen Zeitgeschichtsforschung« und enthalte »wissenschaftsferne Kurzschlüsse«, die »allenfalls geeignet« seien, »das Gutachten um seinen Aussagewert zu bringen«. Die Forschungsstätten und Universitäten in Brandenburg haben in den vergangenen 20 Jahren für eine »in keinem anderen deutschen Bundesland erreichte Breite und Tiefe der Auseinandersetzung mit der zweiten Diktatur auf deutschem Boden gesorgt«, argumentiert Sabrow.