Sicherheitscheck: Linke hacken Linke

»Bewegung Schwarzer Phönix« brach in 100 E-Mail-Adressen ein, um Lücken aufzuzeigen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Linke Hacker sind in etliche E-Mail-Accounts von linken Gruppen und Personen eingebrochen. Ihr Ziel: Sie wollten auf Sicherheitslücken hinweisen. Das Ergebnis: Laxer Umgang mit E-Mail-Sicherheit in der Linken.

»Wir werden hier gerade wahnsinnig! Wie können jahrelang als vertrauenswürdig eingestufte Gruppen so leichtsinnig sein«, heißt es in der E-Mail, die Mittwochvormittag in der ND-Redaktion einging. Der Absender ist laut Briefkopf die Autonome Antifa München, doch die haben diese Mail nicht geschrieben. Ihr E-Mail-Konto (Account) wurde gehackt.

Verfasst hat die Zeilen eine klandestine »Bewegung Schwarzer Phönix«, die nach eigenen Angaben vom 17. bis 19. Januar 100 Accounts von linken Gruppen und Einzelpersonen »einer Sicherheitsüberprüfung« unterzogen hat. Sie übernahmen Accounts von Menschen, »die linke und autonome Politik dominieren«, schreiben die Phönixe in einer Erklärung.

Die Accounts seien teilweise mit Passwörtern wie »passwort« oder »anarchy« versehen. Bei nahezu allen Mail-Providern (Dienstanbietern) gibt es zudem die Funktion der »geheimen Frage«: Wenn man einmal sein Kennwort vergessen hat, beantwortet man eine für den Fall selbst gewählte Frage, um sich zu identifizieren und erhält ein neues Kennwort. »Ein Beispiel war die Frage nach einer Biersorte. Spontan fiel uns da Astra und Sternburg ein. Ein Treffer, eine Niete«, heißt es in der Erklärung. Gerade diese beiden Biere werden in der linken Szene viel getrunken – mit Datensicherheit hat das indes nichts zu tun.

»Alle erfolgreich gehackten Gruppen waren grottenschlecht in ihrem Sicherheitsverhalten«, schreibt ein anonym bleibender »Phönix« auf Nachfrage per E-Mail an ND. »Die großen lokalen Gruppen schreiben fast immer ohne Verschlüsselung.« Zudem hätten sie Zugriff auf »Selbstbezichtigungsschreiben für militante Aktionen« gehabt, die Rückschlüsse auf einzelne Personen zuließen, oder auf Protokolle von klandestinen Treffen.

Ein Aktivist von so 36.net, einem Dienstanbieter aus Berlin-Kreuzberg, sagte gegenüber ND: »Wir vermuten, dass unsere Accounts nicht betroffen sind.« Das hätten Überprüfungen ergeben. Bei so 36 würden sporadisch automatisierte Tests durchgeführt. Wenn jemand ein allzu unsicheres Passwort hat, werde er angeschrieben.

Der Grund für die drastische Aktion sei gewesen, dass sie oft auf Sicherheitslücken hingewiesen hätten, aber niemand zugehört habe, schreibt der anonyme Phönix weiter. Und: »Für uns stellte sich die Frage: wem können wir vertrauen?« Bei einigen Accounts haben die Phönixe einfach das Passwort geändert und an die Inhaber geschickt, damit diese wieder Zugriff auf ihre E-Mails bekommen. Daten von Gruppen und Personen seien nicht weitergegeben worden.

Doch was innerhab der linken Szene nun für einigen Aufruhr sorgen dürfte, betrifft im Grunde genommen alle Nutzerinnen und Nutzer von E-Mail oder anderen Online-Kommunikationen. Wer in Zeiten von Sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Co. den Schutz der eigenen Daten ernst nimmt, muss sich um seine Sicherheit im Internet kümmern. Verschlüsselung und Kennwörter, die nicht den Namen des Ehepartners, Wohnortes oder Hundes beinhalten, sollten selbstverständlich sein – nicht nur in der radikalen Linken.

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