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PLATTENBAU

  • Franz X.A. Zipperer
  • Lesedauer: 3 Min.

Island ist als Heimat musikalischer Geheimtipps durchaus kein weißer Fleck auf der Landkarte. Man denke nur an Björk und ihre »Enkel«, etwa Sigur Rós, Òlafur Arnalds oder Gus Gus. Jetzt macht sich das Label Kimi Records auf, das Eiland zu verlassen und mit den »Urenkeln« international für Aufsehen zu sorgen.

Das Flagschiff, das dabei in See sticht, ist unzweifelhaft Hjaltalín mit ihrer Veröffentlichung »Terminal«. Sie kommen klassisch orchestral und avantgardistisch rockend gleichzeitig daher. Die Affinität zur Klassik macht sich bereits dadurch bemerkbar, dass in der Besetzungsliste Rebekka Bryndís mit ihrem Fagott auftaucht.

Die Besonderheit und die Klasse der Kompositionen von Hjaltalín liegen darin, dass hier nicht einfach ein klassisches Orchester neben eine Rockband gestellt wird und sie sich zusammen redlich mühen. Hier findet eine jener seltenen Verschmelzungen statt, die aus zwei Teilen ein gemeinsames Neues auf einem bisher kaum gekannten Niveau entstehen lässt.

Die Reisekoffer haben auch Benni Hemm Hemm gepackt. Sie haben ihre Platte »Murta St. Calunga« im Gepäck. Auch sie rücken von den bekannten Rock-Hörgewohnheiten weit ab. Jede Menge Gebläse wird aufgeboten und ein hier und da auftauchendes Glockenspiel perlt wunderbar in luftige Piano-Akkorde hinein. Wie ein herrlich prickelnder Champagner, am Pool unter Palmen serviert, bieten Benni Hemm Hemms Stücke kühlende Erfrischung und entführen weit weg. In ein fernes eigenwilliges Musikland. Vorgetragen werden die Lieder neben Englisch auch auf Isländisch.

Auch im Aufbruch begriffen sind Miri mit ihrer CD »Okkar«. Miri müssen ihre Stücke am Flugsteig sicherlich als Sperrgepäck aufgeben. Kantig, elektronisch, krachig hallig ist ihr Musikuniversum. Einsam und allein wächst aus dem Lärm eine melodische Gitarrenlinie, erblüht zu leuchtender Schönheit, um dann von dem plötzlich sich auftuenden Krachkrater gefressen zu werden. Doch diese Schönheit ist nicht vergänglich. Wie ein Geysir sucht sie sich erneut ihren Weg an die Oberfläche. Ein spannender Kampf von der ersten bis zur letzten Note.

Auch das Sextett Reykjavik! ist nach dem Einspielen ihrer Produktion »The Blood« mit Reisevorbereitungen beschäftigt. Isländisches Heavy-Metal-Geschrei mit viel instrumentalem Getöse lässt eine Gluthitze aufkommen. Der Druck wird stark und stärker. Die Band explodiert endgültig. Eine Vertonung des Ausbruchs des legendären Vulkans Eyjafjallajökull könnte gelungener nicht sein.

Last but not least stehen Kimono am Ticketschalter, um mit »Easy Music For Difficult People« die Fahrkarte in Richtung Ruhm zu lösen. Treibende Gitarren, die ruhelos in Vorwärtsbewegung sind, beziehen vom Schlagzeug obendrein noch richtig Dresche. Beide Instrumente werden jedoch nicht aufdringlich und lassen breiten Raum für die Stimme von Alex McNeil. Postpunk-Elemente treffen auf progressive Rocksplitter und lassen Stücke mit glänzend matter, aber rauer Oberfläche zurück.

Die Künstlerpalette von Kimi Records ist deshalb so spannend, weil sie sich nicht dem Diktat eines Genres beugt. Unverwechselbare musikalische Vielfalt ist das Konzept, das auch in Zukunft zum Entdecken kreativer Musikperlen einlädt.

www.kimirecords.com

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