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Nicht ohne eine große Leidenschaft

Darren Aronofsky über »Black Swan« und Golden Globe-Gewinnerin Natalie Portman

  • Lesedauer: 4 Min.
Ein hartes Training verordnete Darren Aronofsky seiner Hauptdarstellerin Natalie Portman für das Psychodrama »Black Swan«. Sie spielt eine junge Tänzerin, einzige Tochter einer ehrgeizigen Mutter, die in Tschaikowskis »Schwanensee« den Weißen und den Schwarzen Schwan tanzen soll. Um den hohen Anforderungen gerecht zu werden, steigert sie sich so weit in die Rolle hinein, dass die eigene Psyche angegriffen wird.  Die Schinderei, die Portman Schmerzen und höllische Qualen bereitet haben, hat sich gelohnt. Die zierliche Schauspielerin erhielt einen Golden Globe. Der am 12. Februar 1969 geborene Regisseur etablierte sich bereits mit »The Fountain« und »The Wrestler« als einer der mutigsten Regisseure der USA. 

ND: Vom »Wrestler« zu »Black Swan« führt ein roter Faden, die inhaltliche Nähe der beiden Filme ist nicht zu übersehen.
Aronofsky: Die beiden Filme porträtieren Menschen, die mit ihrem Körper eine Performance kreieren, die sich selbst und ihren Körper sogar verletzen oder verletzen lassen, um andere zu unterhalten. Schon als Kind habe ich mich gefragt, wie sehr man sich überwinden muss, um dort oben im Rampenlicht zu stehen. Besonders bei Sportlern oder Künstlern, die ihren Körper brauchen, um ihren Sport oder ihre Kunst auszuüben.

Und für den Erfolg auch Grenzen überschreiten?
Ich persönlich würde das nie können, aber wir kennen doch Tänzer oder Sportler, die das getan haben. Ich will gar nicht vom Doping reden, sondern nur von der Hingabe zu ihrer Leidenschaft. Einige Menschen sind einfach besessen, um eine bestimmte Leistung zu erbringen.

Ist dies nicht aber oft notwendig, um nicht nur im Sport oder Ballett, sondern allgemein in unserer Leistungsgesellschaft zu bestehen?
Dass die Helden Grenzen verletzen, ist ein Urthema des Films, des Dramas überhaupt. Die Frage ist, ob sie eine Chance haben, aus ihrem Denken und ihrer Situation auszubrechen. Die Baletttänzerin in »Black Swan« ist Sklavin eines jahrzehntelangen Trainings, um einen Traum zu erreichen. Der Wrestler war schon ganz oben und wird mit den Entscheidungen und Versäumnissen konfrontiert, die er damals getroffen hat.

Testen Sie die Grenzen auch in Ihrer Arbeit aus?
Ohne eine große Portion Leidenschaft würde mein Job keinen Sinn machen. Man muss nur wissen, wo die Grenzen sind, wenn man von anderen Höchstleistungen fordert.

Sind Sie auch ein guter Manipulator wie der Regisseur in Ihrem Film?
Ich hüte mich davor, und es besteht auch ein großer Unterschied zwischen Film und Ballett. Beim Film können nur starke, selbstbewusste Schauspieler einen unsicheren Regisseur dominieren. Beim Ballett ist das wohl eher an der Tagesordnung, denn der Regisseur ist der Manipulation durch die Tänzer beinahe wehrlos ausgeliefert.

Was ist dann Ihr Erfolgrezept?
Mit meinen Schauspielern und Mitarbeitern will ich auf Augenhöhe sein. Ich versuche, ihnen die Angst zu nehmen und etwas zu geben, wofür sich die Strapazen lohnen. Dann schaffen es die meisten. Manche habe ich verschreckt und verloren. Dann arbeitet man eben mit jenen, die gute Rollen zu schätzen wissen, oder mit Exzentrikern und Außenseitern.

Stimmen die Gerüchte um das Pensum, das Sie Natalie Portman aufgebürdet haben, der sie die Rolle schon vor zehn Jahren zugesagt hatten?
Sie ist einfach perfekt für die Rolle, daher fiel es mir leicht, loyal zu sein und zu meinem Wort zu stehen. Dass sie nicht jünger wird, war ein Grund, dass ich den Film endlich drehen wollte. Natalie hat dann ein Jahr lang, sechs Tage die Woche, zehn Stunden am Tag an dem Projekt gearbeitet. Danach waren ihre Zweifel, ob sie als Tänzerin akzeptiert wird, nicht beseitigt. Normalerweise trainiert ein Tänzer ja 20 Jahre, bis er auf diesem Niveau ist. Ich wollte sie aber unbedingt haben, weil ich keine Tänzerin gefunden habe, die auch nur annähernd an ihre schauspielerischen Qualitäten herankam.

Die Ballettszenen übertreffen mit ihrer visuellen Auflösung selbst »Die Roten Schuhe«, der bis heute als der Klassiker des Genres gilt.
Emeric Pressburger hat die besten Ballett-Filme aller Zeiten gedreht, und sie waren meine Vorbilder. Ich konnte auf eine ganz andere Technik zurückgreifen und dieser gewaltige Fortschritt spiegelt sich in den Bildern wider. Pressburger musste mit gewaltigen Kameras arbeiten, die relativ unbeweglich waren. Heute können wir uns mit den Kameras ziemlich frei bewegen.

Das entscheidende, neue visuelle Stilmittel ist jedoch der Einsatz der Spiegel?
Der Spiegel ist in der Welt des Balletts stets präsent. Die Tänzer müssen ihren Körper im Griff haben und kontrollieren dies im Spiegel. Irgendwann wird dies zu einer Obsession. Und er ist auch ein wichtiges Symbol für die Geschichte der zweifachen Verdoppelung einer Person. Einer Tänzerin, die beide Schwäne spielt, und deren Identifikation mit einer der Figuren so weit geht, dass sie das Leben überlagert.

Interview: Katharina Dockhorn

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