Bildungsminister tritt bei Anklage ab

Opposition und Gewerkschaft legen Rupprecht wegen Dienstwagenaffäre Verzicht aufs Amt nahe

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Staatsanwalt wird nun darüber entscheiden, ob Holger Rupprecht (SPD) Bildungsminister bleibt. Die rot-rote Koalition hat gestern verkündet, sie mache ihr Urteil davon abhängig, ob gegen Rupprecht Anklage erhoben wird. Sollte die Staatsanwaltschaft dies tun, so werde Holger Rupprecht sein Amt zur Verfügung stellen, sagte gestern SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. Dies habe der Bildungsminister vor der Fraktion selbst so dargelegt. Vor zwei Tagen hatte die Staatsanwaltschaft begonnen, in der Dienstwagenaffäre wegen des Verdachts der Vorteilsnahme zu ermitteln.

Ein Bildungsminister, gegen den strafrechtlich vorgegangen werde, könne das Amt nicht länger ausüben, brachte Holzschuher zum Ausdruck. Das gelte auch für den Fall, dass das Verfahren »gegen Auflagen« oder »wegen Geringfügigkeit« eingestellt werde, weil dies eine Schuldzuweisung beinhalte. Der Fraktionsvorsitzende unterstrich, nach Rupprechts Stellungnahme vor der Fraktion seien die SPD-Abgeordneten davon überzeugt, dass die Untersuchungen bedingungslos eingestellt werden müssten. Rupprecht habe »moralisch problematisch gehandelt und einen schweren politischen Fehler begangen«, als er mit einem Testwagen in den Urlaub nach Österreich gefahren ist. Doch weil er diese Privatfahrt – wie vorgeschrieben – danach abrechnen wollte, könne von einem Betrugsversuch nicht gesprochen werden. Schließlich sei der Fall erst dadurch überhaupt bekannt geworden.

Von einer »ausgesprochenen Dummheit« sprach auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Doch empfahl er, »die Kirche im Dorf zu lassen«. Das von Rupprecht genutzte Fahrzeug sei von der üblichen Leasingrate für Dienstfahrzeuge gedeckt gewesen. Mit Streben nach »Luxus« habe das Nutzen eines Dienstwagens mit Allradantrieb nichts zu tun, schließlich verbringe ein Minister oft den größten Teil seiner Arbeitszeit im Auto, es sei nicht allein Fortbewegungsmittel, sondern auch Büro. Er habe sich gewünscht, dass das Jahr politisch anders beginnt, bekannte der Regierungschef dennoch.

Linkfraktionschefin Kerstin Kaiser sprach sich für Klarheit aus. Bei Verdacht auf Vorteilsnahme im Amt sei »die Reißleine zu ziehen«, sagte sie. Der Fall belaste die Koalition und verärgere die LINKE. Angesichts der bevorstehenden Änderung der Dienstwagenrichtlinie, die Privatfahrten ins Ausland nicht mehr gestatten soll, wünsche sie sich, dass die »Verwechslung von Dienst und Schnaps unmöglich« gemacht werde. Vollkommen sicher, dass Rupprecht den Fall politisch übersteht, zeigte sie sich indes nicht. Von den umstrittenen Vorgängen habe sie »verschiedene Beschreibungen gehört«.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sah schon zum jetzigen Zeitpunkt »keine Gründe, Rupprecht im Amt zu halten«. Er habe ihn für einen Ehrenmann gehalten, dessen Rücktritt angesichts der Umstände eine Selbstverständlichkeit hätte sein müssen. Vogel fiel auf, dass Rupprecht politisch nicht etwa unter Druck geraten sei, weil Brandenburg die Rote Laterne im Bildungsvergleich nicht loswerde, sondern einer Dienstwagenaffäre wegen. Den Rücktritt des Bildungsministers haben auch CDU und FDP gefordert.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Günther Fuchs, legte dem Minister den Rücktritt zumindest nahe. Rupprecht müsse sich fragen, ob er noch als Vorbild vor Lehrer und Schüler treten könne, meinte Fuchs. SPD-Fraktionschef Holzschuher sagte dazu, es gebe unter Lehrern und Eltern auch andere Meinungen.

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