Geist im Keller

Freunde und Verehrer des Dichters Peter Hacks eröffneten in Berlin das kleine Theater »HABBEMA«

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 2 Min.

W as Peter Hacks (1928– 2003) von der Religion hielt, vermochte er in zwei Zeilen zu fassen: »Die Glocke stört, es stört der Muezzin./ Man bringe sie zum Schweigen, die wie ihn.« Dass sich, während Wiglaf Droste am Mittwochabend diese Zeilen vortrug, dennoch das leise Gefühl einstellten konnte, man befinde sich in den Winkeln eines Klostergewölbes, war den gesäulten Backsteinmauern des kleinen Raumes geschuldet, der hier zum neuen Berliner Theater »HABBEMA« geweiht wurde.

In dieser urig hergerichteten Hinterhofremise an der Prenzlauer Allee 231 sollen künftig Lesungen, Diskussionen, Liederabende und szenische Aufführungen zu erleben sein – auch, aber nicht ausschließlich in Würdigung des Werkes von Hacks. Geschmissen wird der Laden von seiner Namensgeberin, der niederländischen Schauspielerin und Regisseurin Cox Habbema, an deren Theaterleben in der DDR Peter Hacks wesentlich teilhatte. Neben der »HABBEMA«-Inten- dantin Habbema betreiben den Hacks-Keller die Peter-Hacks-Gesellschaft und der Hacks-Verlag Eulenspiegel. Dessen Kopf Matthias Oehme wies aber ausdrücklich darauf hin, dass das »HABBEMA« nicht »Hacks-Keller« heißt, schon weil Hacks gegen ein solches »Vereinslokal« höchst vermutlich Einwände gehabt hätte.

Zur Eröffnung des Hacks-Kellers brachten neben Droste und Habbema auch Gina Pietsch und Hannes Zerbe, Annekathrin Bürger und Hans-Eckardt Wenzel literarisch-musikalische Glückwünsche, letzterer nicht mit Hacks-Versen, sondern mit seinem eigenem satirisch-sentimentalen Abgesang auf die »Schöne Welt«, die wir heute haben: »Ein Gauner wird in einer Fernsehnacht berühmt,/ zwei Schwaben streiten sich um Badeliegen,/ in diesem Sommer trägt man blau geblümt,/ ein Arzt schwört auf die Milch von toten Ziegen,/ ein Dreieinvierteljähriger ist Millionär/ und nennt zwölf Häuser in Luzern sein eigen,/ und seine Leihmutter, die lieber Sklavin wär,/ spielte die ganze Schwangerschaft auf alten Geigen.«

Es gibt einen US-Kulturhistoriker, der den Niedergang der aufgeklärten Zivilisation weniger poetisch, aber in gleicher Tonart besingt. In seinem Buch »The Twilight of American Culture« (dt.: Kultur vor dem Kollaps) zeigt Morris Berman auf, wie das überlebensnotwendige geistige Erbe der Klassiker in Zeiten der Verblödung zu bewahren sei und nennt diesen Weg die »monastische Option«. Im geistlichen, geistig umnachteten Mittelalter hätten Mönche durch Abschriften der antiken Denker den Keim der künftigen Zivilisation durch die finsteren Jahrhunderte getragen – ohne zu wissen, was sie da taten. Im atheistischen Hinterhofkloster »HABBEMA« will man die »monastische Option« augenscheinlich bewusst, heiter und wenig weltabgewandt praktizieren. Aristoteles heißt hier eben Hacks.

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