nd-aktuell.de / 31.01.2011 / Politik / Seite 1

Ägypten blickt auf die Armee

Trotz Regierungsumbildung reißen die Forderungen nach Rücktritt Mubaraks nicht ab

Auch mit neuen Demokratieversprechen und massiver Militärpräsenz bekommt die ägyptische Staatsführung die Massenproteste nicht in den Griff.

Kairo (dpa/ND). Am Samstag und Sonntag gingen wieder Zehntausende gegen das Regime von Präsident Hosni Mubarak auf die Straße. Nach unbestätigten Berichten soll es dabei erneut Tote gegeben haben. Insgesamt kamen seit Freitag bei den landesweiten Unruhen nach einer Zählung des arabischen Senders Al-Dschasira mehr als 100 Menschen ums Leben. Insgesamt sollen seit Beginn der Unruhen vor einer Woche 150 Personen getötet worden sein.

Mubarak ernannte Geheimdienstchef Omar Suleiman am Samstag zu seinem Stellvertreter. Unter dem Eindruck der Massendemonstrationen hatte Mubarak in einer Fernsehansprache am Freitagabend die Bildung eines neuen Kabinetts angekündigt und »neue Schritte hin zu mehr Demokratie« und eine Verbesserung des Lebensstandards versprochen.

Beim Versuch, Insassen des Gefängnisses Abu Saabal in der ägyptischen Provinz Kaljubija zu befreien, starben nach Medienberichten acht Menschen, mehr als 100 wurden verletzt. Vor dem Gebäude des Fernsehens forderten Soldaten die Menschen auf: »Geht nach Hause«.

Im Gefolge friedlicher Demonstranten treiben Plünderer und kriminelle Randalierer ihr Unwesen. Sie verwüsteten Geschäfte und Supermärkte, andere griffen eine Villensiedlung nahe der Hauptstadt an. Der in Kairo unter Hausarrest stehende Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei rief Mubarak in Al-Dschasira zum Rücktritt auf. Eine Regierungsumbildung sei nicht genug. Das Kairoer Büro des Senders musste inzwischen schließen. Am Sonntag nahm Baradei trotz seines Hausarrests an einer Demonstration teil.

US-Präsident Barack Obama drängte Mubarak zur Umsetzung der Reformversprechen. Dieser habe »die Verantwortung, seinen Worten eine Bedeutung zu geben«, sagte Obama. Angesichts der Lage drohte das Weiße Haus Einschnitte bei der milliardenschweren Unterstützung für Kairo an.

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