nd-aktuell.de / 01.02.2011 / Kultur / Seite 16

Spielplatz für Profit

TV-Tipp: Berlusconi

Jan Freitag

Faschismus, sagt der Duden, ist »eine nach dem Führerprinzip organisierte, nationalistische, antidemokratische, antikommunistische rechtsradikale Herrschaftsform«. Und so, wie er die Menschen mit einer Mischung aus Informationskontrolle, Gewaltenkonzentrierung, Befreiungspathos, Personenkult, Überlegenheitsmythen, Feindbildkonstruktion und schlichtem Entertainment auf seine Seite zieht, beschreibt er nicht nur eine Handvoll Staaten dunkler Jahrzehnte, sondern auch das, was Silvio Berlusconi im Geburtsland dieser Ideologie errichtet.

Faschismus in Italien? Dem EU-Mitglied? Einer Demokratie? Das klingt erstmal übertrieben, gespenstisch, irgendwie paranoid. Dass die Sorge mehr ist als linker Verfolgungswahn, zeigt ein heutiger Themenabend auf Arte.

In zwei so eindrucksvollen wie bedrückenden Dokumentationen blickt der Kulturkanal hinter die Kulissen eines populistischen Landes im Würgegriff eines Mannes. Zunächst zeigt »Die Akte Berlusconi«, wie der Medienmogul seit seinem politischen Einstieg 1993 den Staat peu à peu zu seinem Eigentum machte. Wie er sich mit Hilfe einer verbotenen Geheimloge Exekutive, Judikative, Legislative kaufte. Wie er Gesetze bricht, Urteile ignoriert, Korruption kultiviert. Wie der vielfache Milliardär also seine Machtergreifung sukzessive vorantreibt

Im zweiten Film des Abends, »Einer von uns – Reise durch ein populistisches Italien«, wird geziegt, wie Berlusconi ohne politisches Programm, aber mit populistischem Gespür die Kommunalwahlen 2010 haushoch gewinnt. Und das, obwohl Italien unter seiner absolutistischen Führung in allen sozialen, kulturellen, ökonomischen Indices konstant auf das Niveau eines Drittweltstaates zusteuert.

Gerade die Zeitreise sechs italienischer Filmemacher durchs geschundene Land belegt, was zum Erfolg des Ministerpräsidenten führte: Italien denkt nicht mehr nach, es reagiert nur – desinformiert von Berlusconis Nachrichtenmonopolen, eingelullt von seiner Unterhaltungsmaschinerie, betäubt durch seinen PR-Machismo, der jede promiskuitive Entgleisung, jeden diplomatischen Patzer, all seine formale Inkompetenz zur menschlichen Größe erhebt. Einer von uns, so sagen die, die Denken längst durch Gläubigkeit ersetzten.

Wenn also der gleichnamige Film intelligente, gebildete, einst kritische Bürger begleitet, die ohne zu erröten ein »Berlusconi hat uns gelehrt, die Welt mit einem Lächeln zu betrachten« von sich geben, dann begreift man, wie effektiv der Machtpolitiker von 71 Jahren Gehirne wäscht. Denn trotz aller Eskapaden, trotz Skandalen, Verbrechen und dem Bedeutungsverlust Italiens auf der Weltbühne liebt »sein« Volk diese Kreation aus Macchiavelli, Mussolini und Murdoch, ein Tribun, der 36 Gesetze zum eigenen Vorteil als rechtmäßig betrachtet.

Berlusconi ist kein neuer Hitler, kein Widergänger des Duce, nicht mal ein großer Diktator; er ist einfach das rechnerische Resultat der freien Marktwirtschaft auf dem Spielplatz der profitgesteuerten Spaßgesellschaft.

Heute auf Arte, 20.15 Uhr.