Gute Noten per Gnadenakt

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Dieser Tage gibt es in vielen Bundesländern Halbjahreszeugnisse. Zeugnisnoten sollen den Leistungsstand des jeweiligen Schülers innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls abbilden. So jedenfalls der Anspruch – in der Theorie, denn in der Praxis geben die Noten den Leistungsstand eines Schülers nur bedingt wider – vom Leistungsvermögen ganz zu schweigen, das sich mit Ziffernnoten eh nur schwerlich abbilden lässt. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn Zeugnisse nicht das wären, was sie in erster Linie sind: Ein Selektionsinstrument, mit dem die Entscheidung über die weitere Schullaufbahn, letztlich über den Zugang zur Berufs- und Hochschulausbildung getroffen wird.

Wie wenig aussagekräftig Zeugnisse sind, das belegt ein Vorgang im Saarland. Dort erhalten Gymnasiasten, die nach der neunten oder zehnten Klasse die Schule wegen schlechter Leistungen vorzeitig verlassen müssen, ein Abgangszeugnis, mit dem sie den Hauptschulabschluss bzw. die Mittlere Reife erwerben. Der Abstieg aus dem Gymnasium-Olymp wird den Schülern versüßt, indem ihre Noten per Federstrich zu ihren Gunsten geändert werden

: Beim Mittleren Bildungsabschluss wird aus einer Sechs eine Fünf, aus einer Vier eine Drei usw. Beim Hauptschulzeugnis ist man den gescheiterten Gymnasiasten besonders wohl gesonnen; hier werden die Noten teilweise um zwei Stufen angehoben (aus einer Fünf wird eine Drei, aus einer Vier eine Zwei, aus einer Drei eine Eins).

Für die betroffenen Ex-Gymnasiasten hat das nur vordergründig Vorteile, denn potenzielle Arbeitgeber, bei denen sich die Schulabgänger bewerben, wissen um die tatsächliche Aussagekraft dieser Noten. Dieser schulbürokratische Irrsinn offenbart aber auch die Willkür, die hinter jeder Notengebung steckt, die behauptet, eine Vergleichbarkeit der Leistungen zwischen Schülern herzustellen. Verglichen werden so letztlich immer nur Äpfel mit Birnen.

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