Übern Kinderhort ins »Paradiesli«

Auf der Bettmeralp und in Grächen im Schweizer Kanton Wallis

Nathan und seine Mutter
Nathan und seine Mutter

Nichts ist typischer für den Schweizer Kanton Wallis als ein weithin sichtbarer vermeintlicher »Zwerg«, der scheinbar einsam und unbedrängt inmitten von Viertausendern steht. Das 4478 Meter hohe Matterhorn ist immer präsent, gleich, ob man den Blick von der Bettmeralp oder der Hannigalp schweifen lässt. Hier oben auf der Hannigalp, dem Skigebiet von Grächen, soll es wirklich noch das Paradies geben. So verheißt zumindest ein Schild, das direkt an der Gondelbahn die Richtung weist: »Paradiesli«. Damit dieser Ort nicht zur Hölle wird, sollte diesem Schild nur folgen, wer sich sicher auf den Abfahrtsbrettern bergab bewegen kann: Denn das »Paradiesli« ist eine schwarze Piste, eine Abfahrt für Könner.

Hier lernt manches Kind eher Ski laufen als sprechen

Auf dieser wird in einigen Jahren sehr wahrscheinlich auch Nathan bergab brettern. Noch aber übt er mit seiner Mutter im Skikindergarten. Für einen Zweijährigen, der wohl schon auf Skiern stand, bevor er die ersten richtigen Sätze sprach, bewegt er sich wie ein kleiner Profi. Aber nicht lange, dann fällt ihm wohl ein, das sein Paradies heute nicht der Hang ist. »Komm, noch einmal«, fleht ihn seine Mutter an. Doch Nathan lässt sich in den Schnee fallen und wiederholt ganz langsam immer wieder ein Wort: »K-i-n-d-e-r-h-o-r-t«. Denn dort wurde er gerade aus seinem Spielparadies herausgerissen. »Traktor« – meinte er auf die Frage, was denn so schön am Kinderhort sei. Noch gibt sich die Mutter nicht geschlagen und meint schmunzelnd: »Ich bin da glatt ein bisschen egoistisch. Ich möchte ja, dass er irgendwann mit mir Ski fährt. Schließlich gibt es nicht überall so einen schönen Hort, wo man ihn gut aufgehoben weiß.«

Marcus, der Dreijährige, der keck mit der Schweizerflagge am Skihelm den Hang hinunterwedelt, fühlt sich schon zu Höherem berufen. Kinderhort ist nichts mehr für ihn. Er biegt vom Kinderskihang ab in Richtung »Paradiesli«. Der Großvater kann ihn gerade noch abfangen.

Die Bettmeralp und Grächen sind autofreie Orte. Einzig Elektromobile schnurren leise vor sich hin. Mit 299 Sonnentagen im Jahr liegt Grächen ganz oben auf der »Sonnenseite« der Schweiz. Hierher zieht es im Winter vor allem Familien. Während die Eltern ins »Paradiesli« fahren, können die Kinder den schönsten und größten Kinderpark der Schweiz, den SiSU Kinderpark, unsicher machen. Der Kinderhort liegt mitten im Skigebiet – Mittagsschlaf inklusive. Ausgebildete Erzieherinnen umsorgen den Nachwuchs, der noch nicht – oder für den Tag nicht mehr – auf die Skier will.

50 000 Quadratmeter gehören im Grächener Skigebiet dem Nachwuchs. Wer nicht gerade im Hort betreut wird oder den Skihang erkundet, kann auch im Iglu einen Film schauen. 2014 will Grächen die Familiendestination Nummer 1 in der Schweiz sein. Derzeit belegt der Ort Platz 3 hinter Arosa und Adelboden/Lenk.

Abfahrten am längsten Eisstrom der Alpen

Der älteste Urlaubsgast Grächens kommt seit 70 Jahren regelmäßig. Da hat die Bettmeralp noch Nachholebedarf. Hier gibt es Gäste, die es »erst« seit 60 Jahren in das Bergdorf zieht. Heute kommen sie mit der Seilbahn von Betten, früher kraxelten sie den Berg hoch und ein Maulesel trug ihr Gepäck – wenig paradiesisch, aber sportlich. Auf die Bettmeralp zieht es vor allem Alpinskifahrer und Wanderer. Die Bettmeralp hat Pisten, die direkt vor der Haustür beginnen. »Skibuckeln ist tabu«. Damit lockt die gesamte Aletsch-Arena – dazu gehören auch die Riederalp und das Skigebiet Fiesch-Eggishorn – die Wintersportler an. Hoch oben auf dem Bettmerhorn gibt es atemberaubende Abfahrten, ganz nah am Aletschgletscher, mit 23 Kilometern der längste Eisstrom der Alpen. Der Aletsch-Skipass gilt für 36 Bahnen und Lifte. Besonderes Erlebnis ist eine Fackelabfahrt vom Bettmerhorn – aber wirklich nur für die erfahreneren Läufer. Für Nichtskifahrer ist der Panoramaweg Riederalp-Bettmeralp-Fiescheralp eine sportliche Alternative. Es gibt auch eine Langlaufloipe um den Bettmersee, aber da verirren sich nur wenige hin. Wer Langlaufen will, fährt ein Stück weiter, ins Goms – die Loipen dort sind paradiesisch.

Ab November wird bei Schneemangel das Skigebiet beschneit, erzählt Tourismusdirektor Hans Wespi. Rufen die Schneekanonen nicht die Umweltschützer auf den Plan, die um das Naturparadies fürchten? Hans Wespi beruhigt uns: »Untersuchungen haben ergeben, dass Grasnarben durch die Mischung aus Kunst- und Naturschnee besser geschützt werden als durch die Strahlen der Wintersonne. Außerdem werden bei Planungen die Umweltverbände einbezogen – und die sind in der Schweiz sehr streng Die Schweiz hat eines der stärksten Umweltbeschwerderechte.«

Heimat der Gardisten

Mit »Unterbruch« – so Unterbrechung auf schweizerisch – lebt Hans Wespi seit 20 Jahren im Wallis. Über viele Umwege hat er hier seine Heimat gefunden. Sein Paradies ist im Sommer ein Platz am Bettmersee. »Ruhe, rundherum Blumen und Fernsicht in die Alpen.« Sein Leben vor der Tourismuslaufbahn war wohl turbulent genug: Bevor er seine Brötchen als Bodyguard verdiente, diente er im Vatikan bei der Schweizergarde. Übrigens kommen aus dem Wallis die meisten Schweizer Gardisten. Und in Naters bei Brig – etwa in der Mitte zwischen Grächen und Bettmeralp – gibt es ein Schweizergarde-Museum – falls man mal gar keine Lust auf Schnee hat.

Infos

Schweiz Tourismus, Postfach 16 07 54, 60070 Frankfurt am Main, Tel. (00800) 100 200 30, Fax: -31 (beides gebührenfrei), E-Mail: info@myswitzerland.com, Internet: www.MySwitzerland.com

Bettmeralp Tourismus: Tel.: (0041) 27 928 60 60, E-Mail: info@bettmeralp.ch, www.bettmeralp.ch, Anreise: Mit der Bahn nach Brig, umsteigen nach Betten und von dort mit der Gondelbahn.

Grächen Tourismus: Tel.: (0041) 27 955 60 60, info@graechen.ch, www.graechen.de, Anreise über Brig, von dort mit der Matterhorn Gotthard Bahn nach St. Niklaus und mit dem Bus nach Grächen.

Blick auf die Bettmeralp mit der kleinen Kirche auf einem Hügel mitten im Dorf
Blick auf die Bettmeralp mit der kleinen Kirche auf einem Hügel mitten im Dorf
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