Verseuchtes Internet

BLOGwoche:

  • Daniel Leisegang
  • Lesedauer: 2 Min.

In den klassischen Printmedien ist Werbung für den Verbraucher in der Regel klar als solche erkennbar. Das Label »Anzeige« trennt – bei funktionierender Selbstkontrolle unabhängiger Medien – den käuflichen vom unverkäuflichen Teil der Druckseiten. Daraus folgt auch, dass Schleichwerbung hierzulande grundsätzlich unzulässig ist.

Wie aber sieht es im Internet aus? Hier hat sich der kommerzielle Kundenfang in eine nur schwer zu kontrollierende Plage entwickelt. Der allgegenwärtigen Reklame müssen sich die Nutzer zudem mit eigenen Mitteln erwehren – gleich ob sie privat oder öffentlich kommunizieren (...) Vor einer bestimmten Art der Werbung können sich die Nutzer allerdings nur schwerlich schützen: viralen Werbevideos. Im Gegenteil: Sie wirken an der Verbreitung dieser zumeist unterhaltsamen Filmchen aktiv mit.

(…)Tatsächlich stellt virales Online-Marketing, da es ohne Unterschied auf sämtliche Kommunikationskanäle zugreift, ein mächtiges, zugleich aber ebenso beunruhigendes Instrument dar. Denn im Zuge der kommerziellen Verseuchung »digitaler Öffentlichkeit wandelt sich nach und nach der Kontext unseres gesamten Kommunikationsverhaltens.

(...) Schon heute sind wir gezwungen, unentwegt die »lebensweltlichen von den kommerziellen Botschaften zu unterscheiden, um die für uns unmittelbar relevanten Nachrichten aus dem Gesprächsstrom herausfiltern zu können. In Folge dessen drohen ökonomische Interessen unser Selbstverständnis wie auch die Wahrnehmung des Gegenüber zu okkupieren und nachhaltig zu verändern. Kurzum: Am Ende dürfte sich nicht weniger als unser gesamter Kommunikationskontext grundlegend wandeln. Denn die allgegenwärtigen, unterschwelligen Werbebotschaften führen dazu, dass wir uns im Netz (...) zunehmend weniger als Homme oder Citoyen begreifen, sondern mehr und mehr als Consommateur verstehen – und als solche interagieren.

Der Autor ist Redakteur der »Blätter für deutsche und internationale Politik« und Autor beim Weblog-Kollektiv »carta«; zum Weiterlesen: carta.info

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