VIP-Logen oder Krippenplätze

Braunschweigs Bürger stimmen über den Ausbau des Eintracht-Stadions ab

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Das gab es wohl noch nie im deutschen Fußball: Eine Bürgerbefragung entscheidet über den Ausbau eines Stadions.

Die ganz großen Zeiten des Braunschweiger Fußballs sind längst vorbei. 1967 war Eintracht Braunschweig (west)deutscher Meister, danach ging es abwärts. Doch nun ist der Verein Spitzenreiter in der 3. Liga und hat beste Aufstiegschancen für Liga Zwo. Zu den Heimspielen pilgern wieder viele tausend Fans.

Nicht zuletzt diese Entwicklung hat Club- und Stadtobere, CDU und SPD sowie die Wirtschaft darin bestärkt, dass kräftig in die Modernisierung des Eintracht-Stadions investiert werden soll. Der Ausbau soll die finanziellen Möglichkeiten des Vereins verbessern, konkret soll über Business- und VIP-Logen mehr Geld erwirtschaftet werden.

14,5 Millionen Euro

Besitzer des 1924 errichteten Stadions mit knapp 25 000 Plätzen ist seit Ende der 1980er Jahre die Stadt Braunschweig. Eine erste umfassende Renovierung erfolgte 1995. 2009/10 wurde die Nordtribüne überdacht. Die neuerliche Ausbauplanung sieht im Wesentlichen vor, dass auf der Westtribüne 800 Ehren- und Sponsorenplätze sowie 250 Logenplätze mit Gastro-Servive geschaffen werden. Über dem Marathontor sollen weitere 326 Sitzplätze entstehen. Zudem ist der Umbau von Funktionsräumen im Erdgeschoss wie Umkleiden, Pressebereich und Behinderten-WCs vorgesehen.

Die Stadionkapazität insgesamt wird jedoch nicht erhöht. Im Gegenteil – die Zahl der Sitzplätze sinkt um etwa 400. Die Stadt will sich das Ganze einen dicken Batzen Geld kosten lassen, der ohnehin klamme Haushalt würde mit 14,5 Millionen Euro belastet. Bereits 2008 hatte der Braunschweiger Rat den Ausbau des Stadions beschlossen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, die für Braunschweig mit dramatischen Einbrüchen bei den Steuereinnahmen verbunden war, hatte die Stadt das Projekt ein Jahr später aber gestoppt.

Jetzt wollen die Verwaltungsspitze um Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) und der Stadtrat die Einwohner befragen. An diesem Sonntag können die Braunschweiger/innen darüber abstimmen, ob sie den Ausbau wollen. Die Politiker haben zugesagt, sich an das Votum zu halten. »Wir reagieren als erste deutsche Großstadt auf die durch Stuttgart 21 ausgelöste Debatte über eine rechtzeitige Bürgerbeteiligung bei Großprojekten«, sagt Hoffmann.

Vielerorts fehlt Geld

Der OB wirbt offensiv für ein »Ja«. Die Steuereinnahmen hätten sich inzwischen »normalisiert«, so dass sich die Stadt die Fortführung des Stadionausbaus leisten könne. Insgesamt nehme Braunschweig 2011 »aller Voraussicht nach« fast 31 Millionen mehr ein als noch vor wenigen Wochen absehbar. Auf Kosten anderer Vorhaben gehe der Stadionausbau nicht.

Ganz anderer Ansicht sind die LINKE und die ebenfalls im Rat vertretene Bürgerinitiative Braunschweig. »Viel zu oft werden unsere Anträge zugunsten sozialer Projekte im Rat der Stadt abgelehnt mit der Begründung, sie seien nicht finanzierbar«, beklagt die LINKE. So würden auf den Spielplätzen seit Jahren defekte Geräte einfach abgebaut, anstatt sie zu ersetzen. Die dafür nötigen 380 000 Euro seien »angeblich nicht da«. Die für das Stadion veranschlagten 4,5 Millionen Euro würden dringender an anderer Stelle benötigt. »Zum Beispiel könnte man dafür 483 Krippenplätze bauen, allen Grundschülern sechs Jahre lang ein kostenloses Mittagessen anbieten und 122 Sportplätze 10 Jahre unterhalten«, heißt es in einem Papier der LINKEN. Ähnlich argumentieren auch die Grünen.

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