nd-aktuell.de / 14.02.2011 / Politik / Seite 8

Botschaften aus Moskau und Berlin

Polen empfing Signale aus Ost und West

Julian Bartosz, Wroclaw
Zwei in ihrer Aussage unterschiedliche Botschaften, die in der vergangenen Woche aus Polens Nachbarländern an der Weichsel eintrafen, fanden ein unterschiedliches Echo: die Nachricht aus dem Osten ein gutes, die aus Berlin ein ganz anderes.

Alexander Alexejew, Russlands Botschafter in Warschau, ließ verlauten, eine Rehabilitierung der über 20 000 in Katyn und anderen Orten von NKWD-Schergen im April 1940 ermordeten polnischen Offiziere stehe bevor. Es gebe noch gewisse Probleme, denn die Erschießungen seien ja nicht von einem Gericht verfügt worden, sondern gehen auf einen Befehl Stalins vom 5. März jenes Jahres zurück. Für den Unschuldspruch der einzeln genannten Opfer werde aber eine mit dem russischen Recht vereinbare Formel gefunden, versicherte Alexejew. Erwartet wird ein Dekret von Staatspräsident Dmitri Medwedjew. Es handelt sich um eine juristische Rehabilitierung. Auf eine materielle Entschädigung haben Hinterbliebene der Opfer, die in der »Katyn-Familie« vereinigt sind, verzichtet.

Waclaw Radziwinowicz erinnerte in der »Gazeta Wyborcza« an den Beschluss der russischen Staatsduma vom Dezember 2010, der die Ermordung der polnischen Offiziere eindeutig als Verbrechen ächtete und eben einen Unschuldsspruch verlangte. Der unter Vorsitz des russischen Präsidenten tätige Rat für Menschenrechte und die Zivilgesellschaft seien dabei, den »stalinistischen Ballast« systematisch abzubauen. Dasselbe betonte Adam Daniel Rotfeld, Kovorsitzender der »Kommission für schwierige Fragen«: Russland wolle den »Mühlstein des Stalinismus« loswerden.

Auf kritische Reaktionen stieß dagegen der in der vorigen Woche mit schwarz-gelber Mehrheit durchgebrachte Bundestagsbeschluss, anlässlich des 60. Jahrestages der »Charta der Vertriebenen« den 5. August zum »Vertreibungsgedenktag« zu erklären. »Geschmacklosigkeit. Ein unnötiger Beschluss des Bundestags« überschrieb die »Gazeta Wyborcza« den Bericht ihres Berlin-Korrespondenten Bartosz T. Wielinski. Der betonte, CDU/CSU und FDP hätten den Beschluss »wie die Unabhängigkeit« vor den Angriffen der Opposition verteidigt. Unerwähnt ließ er, dass die Linksabgeordnete Luc Jochimsen namentlich die nazibelasteten Mitverfasser der als »Gründungsdokument der Bundesrepublik« bezeichneten Charta aufgeführt hatte. Was in dem Bericht verwunderte, war die Meinung, die polnisch-deutschen Beziehungen seien so gut, dass der Beschluss nicht schaden werde. »Nasz Dziennik« behauptete dagegen ziemlich naiv, Angela Merkel habe jetzt Kummer, sie wisse nicht, wie der Beschluss »umzusetzen« sei.