Galerie Pankow

Vom Abbild zum Zeichen

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 2 Min.
Hans Brosch, »Puppenspieler«, 2006
Hans Brosch, »Puppenspieler«, 2006

»Puppenspieler« (Öl auf Leinwand, 2006) heißt das hier abgebildete Gemälde: Kein Abbild der Wirklichkeit wird gegeben, sondern die Erinnerung an eine menschliche Figuration und ihr Spiel ist hier im Bild verwoben. Aus der noch erkennbaren Umrissgestalt entwickelt sich die Grundmelodie für das ganze Bild. Was in den Kurven der Figur anklingt, tönt als Echo in den begleitenden Formen wider, die sensibel diese Grundgestalt modellieren. Das Echo figürlich-menschlicher Formen soll vom Betrachter dann auch in gegenstandslosen Gebilden wiedergefunden werden.

Der Berliner Maler Hans Brosch ist den Weg vom Abbildhaften zum Zeichenhaften gegangen. Aus fast absichtslos gesetzten Strichen und Formen ergibt sich das Bildzeichen einer Landschaft, eines Phänomens, einer Begebenheit. »Strandgut«, »Spiegelung«, »Schattenwand«, »Schauender«, »White Shirt«, »Entdeckung«, »Couture« oder »Versteck« sind die Titel seiner Bilder. In der Natur dieser Zeichen bleibt das Abbildhafte durchaus noch erkennbar, es ist aber verdichtet zum psychisch-assoziativen Element.

Mitunter befinden sich die zeichenhaften Konstruktionen in der Nähe gegenstandsloser Bühnenarchitekturen; hier kann der Einfluss seines Lehrers, des Bühnenbildners Karl von Appen, vermutet werden, bei dem Brosch einst in die Schule ging. Doch meist scheinen seine Formzeichen, seine geometrischen Zeichenelemente in dichter Verklammerung vor einem unabgegrenzten Raumgrund zu schweben. Die Bildschöpfungen sollen ja eben nicht die Natur imitieren, Räumlichkeit oder Körperhaftigkeit suggerieren, sondern Raum und Modellierung durch Linien, Winkel und Flächenschichtungen ersetzen.

Das Momentane des Motivs lässt Brosch zu den Impressionisten zurückblicken, indem er gleichzeitig den Gegensatz zu ihnen formuliert: Nicht nur der Bewegungsablauf, sondern auch die Simultanität der Seelenzustände und Empfindungen soll eingefangen werden, die Synthese von Bewegungsspiel und durch sie ausgelöster Empfindung. In den beiden Fassungen des »Vogeltanzes« (2006) vollzieht sich das gleiche Motiv aus unterschiedlichem Blickwinkel, durch den wechselnden Standpunkt des im Bilde gedachten Betrachters. Die Linien der Körperumgrenzung und die ihren eigenen Weg verfolgenden Linien sind wie Schicksalswege, die sich dem Zugriff und der Definition entziehen. Ja, es ist gerade die Linie, die gegenüber dem Gegenständlichen ihr selbstständiges Leben gewinnt, das sich traumhaft-fantastisch aus den Liniengespinsten entfaltet. Wirklichkeit und Traum, Ähnlichkeit und Verhüllung erzeugen ein Bild des Menschen, in das die Wirkungslosigkeit, die Vergeblichkeit des Anrufs, das geflissentliche Vorbeisehen der betrachtenden Menge schon einkalkuliert ist .

Broschs Bildwelt befindet sich auf einem schmalen Grat zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, zwischen wacher Wahrheit und Traum – es sind Arbeiten, die in unserer Erinnerung so schnell nicht wieder erlöschen.

Bis 12. März, Di.-Sa. 14-20 Uhr, Galerie Pankow, Breite Str. 8

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